Mehrere Tausend lautstark gegen Nazis – ungeklärte Fragen nach Polizeieinsatz

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Am 1. Mai haben in Bochum mehrere tausend Menschen lautstark, bunt und kreativ gegen den Neonazi-Aufmarsch in der Innenstadt protestiert. „Wir freuen uns über dieses große Engagement gegen Rechts“, sagt der Vorsitzende der Linksfraktion im Bochumer Rat Ralf-D. Lange. „Es ist ein wichtiges Signal, dass wir Nazi-Hetze auf unseren Straßen nicht dulden.“ Aufklärungsbedarf sieht die Linksfraktion noch in Bezug auf den Polizeieinsatz anlässlich der Demonstration.

Nach Informationen der Linksfraktion hat die Polizei etwa zehn Prozent der an den Protesten Beteiligten zwischenzeitlich in Gewahrsam genommen. Zum Teil kam es zu brutalen Schlagstock- und Pfeffersprayeinsätzen. In einem Polizeikessel in der Kortumstraße wurden Menschen zum Teil sogar mehr als sechs Stunden lang festgehalten – erst gegen 21 Uhr, viereinhalb Stunden nach Abreise der Neonazis, hat die Polizei den Kessel aufgelöst. Mindestens ein Demonstrant hat durch den Polizeieinsatz einen Armbruch erlitten und musste im Krankenhaus behandelt werden. Etliche weitere wurden durch Reizmittel verletzt. Bei einem Pfeffersprayeinsatz im Hauptbahnhof sind auch Journalist*innen getroffen worden.

„Nach einer Auswertung der uns bisher vorliegenden Informationen müssen wir zu dem Ergebnis kommen, dass der Polizeieinsatz unverhältnismäßig war“, sagt Ralf-D. Lange. „Der stundenlange Freiheitsentzug im Kessel auf der Kortumstraße wirkte auf uns zudem sehr willkürlich. Unter den Betroffenen befanden sich viele Jugendliche und ehrenamtlich Aktive, die wir kennen. Dass die Polizei sie pauschal als ‚Störer’ verunglimpft, halten wir für ungerechtfertigt.“ Außerdem wüssten eigentlich auch die Beamten, dass der Einsatz von Reizmitteln in geschlossenen Räumen besonders gefährlich sei, so Lange weiter. „Die uns bisher vorliegenden Videos der Situation im Hauptbahnhof zeigen Schubsereien, aber nichts, was so einen Einsatz rechtfertigt.“

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Die Polizei begründet das sehr harte Vorgehen gegen Demonstrant*innen unter anderem damit, dass Rauchtöpfe geworfen worden seien – also pyrotechnische Gegenstände, die bunten Rauch erzeugen und in der Ultra-Fanszene beliebt sind. „Hier muss sich die Polizei entscheiden“, sagt Ralf-D. Lange angesichts eines im Internet kursierenden Videos. Dort ist zu sehen, wie ein Polizist einen Rauchtopf nicht unschädlich macht, sondern selbst auf Demonstrant*innen wirft. „Wenn es sich dabei um einen gefährlichen Gegenstand handelt, hat sich wohl auch der entsprechende Beamte strafbar gemacht“, sagt Ralf-D. Lange.

Bereits am Nachmittag hatte die Polizei gegenüber der Presse von „schwersten Ausschreitungen“ im Umfeld der Anti-Nazi-Proteste gesprochen – eine Einschätzung, welche die Linksfraktion für übertrieben hält. „Über diesen Einsatz muss noch diskutiert werden. Und genauso über die grundsätzliche Entscheidung, den Neonazis mit aller polizeilicher Macht einen Marsch durch die Innenstadt und eine Zwischenkundgebung auf dem Husemannplatz zu ermöglichen, nur 250 Meter vom Ort der DGB-Abschlusskundgebung entfernt. Der Platz ist schließlich nicht umsonst nach dem im KZ erschossenen Gewerkschafter Friedrich Ernst Husemann benannt. Wir sind stolz darauf, dass so viele Bochumerinnen und Bochumer auf der Straße waren, um den Nazis die rote Karte zu zeigen. Aber die für diese Polizei-Strategie Verantwortlichen haben sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert.“