Newsletter 6/2016 (Juni/Juli)

Liebe Leser*innen,

am 30. Juni hat im Bochumer Rathaus die letzte Ratssitzung vor der Sommerpause stattgefunden. In diesem Newsletter berichten wir über diese Sitzung – und außerdem über unsere Aktivitäten in den Ausschüssen, im Frauenbeirat und auf der Straße. Es geht um Wohnungen, Aktien, Abschiebungen und Proteste.

Die Themen im Einzelnen:

1. Privat vor Staat: Rot-Grün erneut gegen kommunalen Wohnungsbau
2. Sofortmaßnahmen für Bürgerbüros: Service statt Abschiebungen!
3. Endlich und mit Verspätung: Weg für Verkauf der RWE-Aktien frei
4. Straßennamen: Eine Straße für Christine Schröder!
5. Kultur für alle: Bochum-Pass ausbauen
6. Frauenhaus Bochum: Schutzlücke schließen
7. Kein Maulkorb für Geflüchtete und Ehrenamtliche!
8. Stadt schiebt Schuld für Haushaltsmisere auf Geflüchtete
9. Es ist viel passiert – weitere Meldungen in Kürze

 

1. Privat vor Staat: Rot-Grün erneut gegen kommunalen Wohnungsbau

Eines der Hauptthemen auf der Ratssitzung war die Wohnungs- und Unterbringungskrise in Bochum. „Wir haben das Scheitern der rot-grünen Wohnungspolitik deutlich vor unseren Augen“, sagte unser Fraktionsmitglied Gültaze Aksevi. „Bochum hat seit dem Jahr 1990 35.000 Einwohner*innen verloren. Und trotzdem müssen aktuell tausende von Menschen in unserer Stadt in Industriezelten und Containern leben. 60.000 Bochumer Haushalte haben Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. Aber es gibt nur noch weniger als 14.000 Sozialwohnungen.“ SPD und Grüne legten nun einen Antrag zum geplanten neuen „Handlungskonzept Wohnen“ vor. Für unsere Fraktion kritisierte Aksevi den Antrag: „Er ist in vielen Bereichen ein ‚weiter-so‘: Privat vor Staat, Profite für Wohnungsunternehmen statt menschenwürdiger Wohnraum und bezahlbare Mieten für alle.“ Die Rede im Wortlaut.

Wir wollen eine soziale Schieflage des zukünftigen „Handlungskonzeptes Wohnen“ verhindern. Deswegen haben wir einen Änderungsantrag gestellt. Der zentrale Punkt: Bochum soll die aktuellen Förderprogramme nutzen, um endlich selbst signifikant kommunalen Wohnungsbau zu betreiben. Denn nur Wohnungen in städtischem Eigentum erhöhen den Einfluss der Stadt auf Mietpreise, auf diskriminierungsfreie Vermietung und auf die Achtung von Mieter*innenrechten. Darüber hinaus wollten wir die Zahl der angestrebten neuen Wohnungen erhöhen und als Ziel ebenfalls die Reaktivierung von Leerstand sowie eine höhere Sozialwohnungsquote festschreiben. Unser Antrag im Wortlaut. Gemeinsam haben SPD, CDU und die Grünen gegen diese Vorschläge gestimmt. Im Prozess zu einem neuen „Handlungskonzept Wohnen“ werden wir jedoch weiter für eine soziale Wende in der Bochumer Wohnungspolitik eintreten.

 

2. Sofortmaßnahmen für Bürgerbüros: Service statt Abschiebungen!

Weiter haben wir die chaotische Situation in den städtischen Bürgerbüros zum Thema gemacht. „Die Schlangen vor dem Bürgerbüro müssen verschwinden“, forderte unser Fraktionsvorsitzender Ralf-D. Lange. In einem gemeinsamen Antrag mit der Sozialen Liste haben wir eine Aufstockung des Personals im Publikumsverkehr beantragt. „Es kann nicht sein, dass das Landesgesetz eine Wohnsitz-Ummeldung innerhalb von 14 Tagen vorschreibt, man in Bochum aber erst in sechs oder acht Wochen einen Termin bekommt“, sagte Lange weiter. Die Rede im Wortlaut. Er wies darauf hin, dass die rot-grüne Kürzungspolitik mit ihrem Personalkostendeckel ein zentraler Grund dafür ist, dass die Stadt ihre Pflichtaufgabe aktuell nicht erfüllt. Leider hat die rot-grüne Koalition unseren Antrag abgelehnt. Sie will es erst einmal bei Appellen, temporären Versetzungen und Stellenbesetzungen mit bisherigen Azubis belassen. Unser Antrag im Wortlaut.

Brisant ist die Personalpolitik auch wegen der städtischen Ankündigung, mehr als 800 Menschen aus Bochum abschieben zu wollen. Schließlich besteht dadurch die Gefahr, dass zusätzliches Personal im Einwohneramt nicht für eine Entlastung im Publikumsverkehr eingesetzt wird, sondern dafür, mehr Abschiebungen vorzubereiten und durchzuführen. Daher kündigte Lange an: „Bei Versetzungen ins Einwohneramt und bei Neueinstellungen dort werden wir ein Auge darauf haben, ob die Mitarbeiter*innen dann auch in Bereichen eingesetzt werden, in denen sie dringend benötigt werden – also dort, wo sie den Menschen nützen und ihnen nicht schaden. Es wäre aus unserer Sicht nicht akzeptabel, wenn Sie jetzt Personalkapazitäten statt zur Verbesserung der katastrophalen Situation dafür einsetzen würden, die von Ihnen angekündigte größte Abschschiebewelle in der Geschichte Bochums vorzubereiten und durchzuführen.“

 

3. Endlich und mit Verspätung: Weg für Verkauf der RWE-Aktien frei

Das hätte die rot-grüne Koalition auch früher haben können: Mit den Stimmen der Linksfraktion hat der Rat nun endlich dafür gesorgt, dass die Stadt das umstrittene und verlustreiche Aktienpaket des Atom- und Kohlekonzerns RWE verkaufen kann. Durch die Kündigung einer Schachtelbeteiligung kann Bochum jetzt ab Oktober wieder selbst über die Aktien verfügen. Das hatten wir bereits im März beantragt – damals hatten die anderen Fraktionen noch dagegen gestimmt. Wäre damals der Beschluss getroffen worden, hätte die Stadt bereits früher über die eigenen Aktien verfügen können. Aber besser spät als nie: Wir werden nun darauf drängen, dass die Stadt auch Nägel mit Köpfen macht und endlich aufhört, den unökologischen Energiedinosaurier durch Halten des Aktienpakets zu unterstützen.

 

4. Straßennamen: Eine Straße für Christine Schröder! 

Bereits im vergangenen Jahr hatte der Bochumer Frauenbeirat mit unserer Unterstützung angeregt: Bei Straßen-Umbenennungen und beim Bau neuer Straßen sollen so lange Frauennamen berücksichtigt werden, bis die Hälfte aller Bochumer Straßen nach Frauen benannt sind. Ziel ist es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Bochum nicht nur berühmte Söhne, sondern ebenso bedeutende Töchter hervorgebracht hat.

Jetzt hat der Frauenbeirat eine Liste mit Namensvorschlägen beschlossen. Auf Initiative von Andrea Klotz, Beiratsmitglied der Linksfraktion, ist auch der Name der Bochumer Antifaschistin und Widerstandskämpferin Christine Schröder aufgenommen worden. Die im Jahr 1900 geborene Bochumerin engagierte sich gegen den Aufstieg der NSDAP und wurde im Sommer 1933 das erste Mal für 27 Tage inhaftiert. Dennoch blieb sie aktiv. Im Zuge der Aufdeckung der Widerstandsgruppe um Karl Springer wurde sie 1936 von der Gestapo verhaftet und kam erst 1938 wieder frei. In der Folgezeit unterstützte sie vor allem die Widerstandsgruppe auf dem Bochumer Verein, beteiligte sich an Diskussionen und leistete Kurierdienste. Nach dem Krieg zog sie 1949 auf der Liste der KPD in den Rat der Stadt Bochum ein. Von 1952 bis 1966 war sie Vorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in Bochum. Wir freuen uns über die Aufnahme von Christine Schröder auf die Vorschlagsliste und werden uns dafür einsetzen, dass eine Straße nach ihr benannt wird.

 

5. Kultur für alle: Bochum-Pass ausbauen

Wir wollen die Bochumer Kulturangebote für alle zugänglich zu machen. Deshalb fordern wir einen Ausbau des Bochum-Passes. Mit dem Pass erhalten Bochumer*innen mit geringem Einkommen Ermäßigungen bei einigen städtischen Einrichtungen. Wir wollen erreichen, dass der Pass allen Berechtigten, von denen die Stadt oder das Jobcenter wissen, automatisch zugeschickt wird. Unser Ziel ist außerdem, dass an allen öffentlich bezuschussten Kultureinrichtungen in Bochum ein festes Eintrittskarten-Kontingent zum Preis von maximal 3 Euro eingeführt wird. Nur so kann angesichts der viel zu geringen ALGII-Leistungen gewährleistet werden, dass die von der Allgemeinheit mitfinanzierten Einrichtungen auch von allen genutzt werden können. Deswegen haben wir zu dieser Ratssitzung angefragt, was getan werden muss, damit der Bochum-Pass den Berechtigten ohne gesonderten Antrag zugestellt werden kann. Außerdem wollen wir wissen, wie die städtische Finanzierung bzw. Förderung im Rahmen der kommenden Haushaltsberatungen angepasst werden muss, um feste Kontingente an 3-Euro-Tickets ohne Nachteile für die Kultureinrichtungen umzusetzen. Mehr Infos. Unsere Anfrage im Wortlaut.

 

6. Frauenhaus Bochum: Schutzlücke schließen

Das Frauenhaus Bochum bietet von Gewalt betroffenen Frauen sowie ihren Kindern eine geschützte Wohnmöglichkeit auf Zeit. Dabei gibt es jedoch ein Problem: Anders als in manchen anderen Städten werden in Bochum Aufenthalte nur finanziert, wenn die Frauen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Außen vor bleiben zum Beispiel Studentinnen, BAFöG-Berechtigte, Frauen ohne Aufenthaltstitel und EU-Bürgerinnen mit Freizügigkeit zur Arbeitsaufnahme. Um diese unhaltbare Situation zu ändern, haben wir eine Initiative zur gesicherten Finanzierung des Frauenhauses gestartet. Das Ziel: Mit Aufstellung des Haushalts 2017 soll die Finanzierung auf ein Pauschalmodell umgestellt werden. Denn Bochum setzt aktuell auf eine Tagessatz-Finanzierung. „Dabei werden die Kosten des Frauenhauses auf die von Gewalt betroffenen Frauen und ihre Kinder umgelegt“, kritisiert Gültaze Aksevi. Mehr Infos. Unsere Anfrage im Sozialausschuss zum Thema.

 

7. Kein Maulkorb für Geflüchtete und Ehrenamtliche!

Streitthema bleibt aktuell die menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten in Bochum. Anfang Juni haben Refugees elf Tage lang in der Turnhallen-Unterkunft an der Querenburger Straße gegen ihren Abtransport in Industriezelte weit außerhalb der Stadt an der Kollegstraße protestiert. Dort sollen sie ohne lokale Infrastruktur und weitgehend abgeschottet von der Stadtgesellschaft auf der grünen Wiese in einem Zelthallen-Lager leben. Wir haben die Forderungen der Geflüchteten nach menschenwürdigem Wohnraum unterstützt und die Stadt aufgefordert, besonnen auf die Proteste zu reagieren. Unsere Erklärung.

Nach dem erzwungenen Umzug erreichen uns immer mehr Berichte, die nahelegen, dass der Betreiber mit der Leitung des Zeltcamps und der sozialarbeiterischen Betreuung der Bewohner*innen überfordert ist. Gleichzeitig haben wir Fragen an die Stadt. Denn im Zusammenhang mit der Räumung der Turnhalle haben mehrere Medien berichtet: Die Stadt habe Ehrenamtlichen und Geflüchteten gedroht: Wenn sie mit der Presse über den Verlauf der Gespräche mit der Stadt und über Absprachen berichten, dann seien diese für die Geflüchteten sehr wichtigen Zusagen hinfällig.

Sollte das stimmen, hätte ein Offizieller der Stadt mit Hilfe von Drohungen versucht, die Rede- und Meinungsfreiheit von Geflüchteten und Ehrenamtlichen einzuschränken. Das wäre ein zusätzlicher Skandal, denn eigentlich ist die Stadt Bochum dazu verpflichtet, die Grundrechte zu achten und zu schützen. Außerdem wäre es eine empfindliche Behinderung der Arbeit der Presse, wenn Stadtoffizielle in einem Konflikt mit der Stadt durch Drohungen verhindern wollen, dass Journalist*innen Statements und Einschätzungen auch von der anderen Konfliktpartei erhalten. Deswegen verlangen wir mit einer offiziellen Anfrage nun eine Stellungnahme von der Stadt. Wir wollen wissen, wie sie zu den Grundrechten auf Rede-, Meinungs- und Pressefreiheit steht, und ob es entsprechende Drohungen gegen Geflüchtete und Ehrenamtliche gegeben hat. Falls die Medienberichte zutreffend sind, soll die Stadt außerdem erklären, wie sie dafür sorgen wird, dass es zukünftig nicht mehr zu solchen faktischen Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit kommt. Unsere Anfrage im Wortlaut.

 

8. Stadt schiebt Schuld für Haushaltsmisere auf Geflüchtete

Nur drei Wochen nach Genehmigung des städtischen Haushalts durch die Bezirksregierung hat Kämmerer Manfred Busch eine faktische 20-prozentige Haushaltssperre („Bewirtschaftungsverfügung“) erlassen, weil das eingeplante Geld doch nicht reicht. Wie im vergangenen Jahr hat die Stadt den harten und angeblich ungeplanten Einschnitt am Tag vor dem verlängerten Fronleichnamswochenende verkündet. Besonders dreist in diesem Jahr: In seinem Schreiben versucht Busch, ausgerechnet Geflüchteten die Schuld für seine Fehlplanung in die Schuhe zu schieben. Als Grund für die Haushaltssperre gibt die Stadt ein angeblich neues Haushaltsloch von 16,9 Millionen Euro an. In seinem Schreiben behauptet Manfred Busch, diese „wesentlichen Verschlechterungen“ resultierten „insbesondere aus notwendigen Mehraufwendungen im Bereich der Flüchtlingshilfe“. „Das ist blanker Unsinn“, widerspricht unser Fraktionsmitglied Horst Hohmeier. „Durch die unmenschliche Grenzschließungspolitik kommen aktuell deutlich weniger Geflüchtete nach Bochum als bei Verabschiedung des Haushalts prognostiziert. Außerdem spart die Stadt durch den Deal mit dem Land über die Errichtung der zentralen NRW-Registrierungsstelle für Geflüchtete (LEA) einen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr ein. Auch diese finanzielle Entlastung ist erst nach Verabschiedung des Haushalts bekannt geworden. Wenn das eingeplante Geld trotzdem nicht reicht, dann liegt das an der unseriösen Haushaltsplanung des Stadtkämmerers und der rot-grünen Koalition – und auf jeden Fall nicht an Menschen, die in Bochum Schutz vor Krieg, Verfolgung und blanker Not suchen. Wer anderes behauptet, schürt damit Vorurteile, um von der eigenen Verantwortung für die Fehlplanung abzulenken.“ Unsere Erklärung im Wortlaut.

 

9. Es ist viel passiert – weitere Meldungen in Kürze

  • Zusammen mit mehr als hundert weiteren Organisationen haben wir für den 18. Juni zur Teilnahme an der der Menschenkette gegen Rassismus aufgerufen. Rund 8.500 Teilnehmer*innen haben ein Signal der Solidarität mit den Menschen gesendet, denen auch in Bochum nach wie vor gleiche Rechte vorenthalten werden. Vor Ort haben wir unter anderem die gemeinsame Aktion des Bündnisses Flucht ist kein Verbrechen, des TreffPunkt Asyl und des Refugee Strike Bochum unterstützt: Mit einer absichtlichen 50 Meter langen Lücke in der Menschenkette haben wir an all diejenigen erinnert, die nicht hier sein können – weil sie aus Bochum abgeschoben worden sind oder auf der Flucht zum Beispiel im Mittelmeer starben. Unser Bericht und Bilder von der Aktion.
  • Die Bochumer Linksfraktion verurteilt den Polizeiübergriff auf die Proteste gegen den kleinen Pegida-Ableger DaSKuT am Sonntag, den 19. Juni. „Die Gegendemonstrant*innen haben lediglich lautstark hinter der Polizeiabsperrung gegen die ungefähr zehn Rassistinnen und Rassisten protestiert“, sagt der Fraktionsvorsitzende Ralf-D. Lange, der die Proteste begleitete und vom Husemannplatz aus beobachtete. Der Augenzeugenbericht unseres Fraktionsvorsitzenden.
  • Eine weitere Anfrage unserer Fraktion im Rat beschäftigt sich mit dem Thema Freifunk und Internetzugang in den Geflüchtetenunterkünften. Wir wollen wissen, wie viele Geflüchtete in Bochum noch nicht versorgt sind, und woran die Umsetzung der Ankündigungen an den einzelnen Standorten scheitert. Außerdem wollen wir wissen, wann die Verwaltung den Ratsbeschluss aus dem vergangenen Jahr umsetzt und dem zuständigen Ausschuss eine Liste mit möglichen Standorten für Freifunk-Zugangsknoten in öffentlichen Gebäuden vorlegt. Unsere Anfrage im Wortlaut.

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