Eine Trendwende in der Bochumer Wohnungspolitik ist überfällig!

Rede des Fraktionsvorsitzenden Ralf-D. Lange auf dem Empfang der Linksfraktion für die Sozialen Bewegungen am 5. Dezember 2016.

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Auch von mir noch einmal ein herzliches Willkommen! So kurz vor Jahresende läge es nahe, jetzt hier einen Abriss zu referieren, was wir alles in diesem Jahr gemacht haben. Dieser Versuchung will ich widerstehen und verweise stattdessen auf unsere Broschüre „Von A bis Z für ein soziales Bochum“, die diesen Job auf 80 Seiten übersichtlich und ausführlich erledigt. Da könnt ihr/können Sie in Ruhe nachlesen, wie wir als Linksfraktion die parlamentarische Arbeit in Bochum in den verschiedensten Gremien interpretieren und praktizieren, was wir geleistet haben und was vielleicht auch nicht. Was bisher fehlt. Aber dafür seid ihr/sind Sie ja auch heute da: Um uns weitere Anstöße zu geben.

In unserer Einladung an die Bochumer Bewegungen und Initiativen heißt es ja auch nicht umsonst: „Für eine soziale, demokratische und vielfältige Stadt.“ Ein Thema, das für uns dabei eine wichtige Rolle spielt, ist das Thema Wohnen. Denn beim Thema Wohnen fließen ganz viele Aspekte aktueller Sozial- und Kommunalpolitik zusammen. Durch eine Anfrage unserer Fraktion ist vergangenen Monat erneut öffentlich geworden: Häufiger als jeden zweiten Tag wird in unserer Stadt eine Wohnung zwangsgeräumt. Praktisch immer immer trifft es Menschen, die von der Hartz-IV-Verarmungspolitik betroffen sind, und denen mit einer Zwangsräumung ihr Grundrecht auf Wohnen brutal entzogen wird.

Jetzt könnte man sagen: Die viel zu knappen Hartz-IV-Sätze, die Menschen in die Armut treiben, sind Bundespolitik, da hat die Kommune nicht so viel mit zu tun. Das stimmt nur zum Teil. Denn bei den Kosten der Unterkunft und Heizung müssen wir feststellen, dass die Stadt ihre Spielräume keineswegs zugunsten der Betroffenen nutzt. Stattdessen kürzt das Bochumer Jobcenter die übernommenen Kosten der Unterkunft bei ALGII-Empfänger*innen um insgesamt fast zwei Millionen Euro pro Jahr. Diese Kürzungen haben zur Folge, dass die Betroffenen dann versuchen müssen, das fehlende Geld für Miete und Nebenkosten aus dem viel zu knappen Regelsatz abzuzwacken. Wenn das nicht klappt, droht schlimmstenfalls die Zwangsräumung. Oder es wird der Strom abgeschaltet: Mehr als 3.600 Stromsperren führen alleine die Stadtwerke im Jahr durch – jeden Tag gehen im Durchschnitt zehn Bochumer Haushalten die Lichter und Herdplatten aus. Zwangsräumungen und Stromsperren bleiben ein großes soziales Problem, sie dokumentieren die soziale Spaltung, und sind ein Beispiel für Normalitäten, die wir meiner Meinung nach nicht länger als normal akzeptieren dürfen.

Ja, es sind auch die angesprochenen Jobcenter-Kürzungen bei den Kosten der Unterkunft, die Menschen in diese existenziellen Notsituationen bringen. Und trotzdem wollen SPD und Grüne am kommenden Donnerstag auf der Ratssitzung ein sogenanntes „Haushaltssicherungskonzept“ beschließen, das weitere Kürzungen in diesem Bereich vorsieht. Mit Tricksereien beim Heizkostenspiegel und Änderungen beim Mietspiegel wollen sie erreichen, dass ab 2018 bzw. 2019 die vom Jobcenter ausgezahlten Kosten der Unterkunft und Heizung um weitere eine Million Euro pro Jahr sinken. Das ist einer der Gründe, weshalb wir am Donnerstag im Rat Nein zu den Haushaltsplanungen und zu dem Kürzungskonzept sagen werden.

Zwangsräumungen und Stromsperren sind nur die eine Seite der städtischen Wohnungspolitik. Auf der anderen Seite leben müssen nach wie vor tausende Menschen in Bochum auf engstem Raum in menschenunwürdigen Massenunterkünften ohne jegliche Privatsphäre. In einer Stadt, die jetzt endlich wieder ein wenig wächst, in der trotzdem aber immer noch 38.000 Menschen weniger wohnen als noch 1994. 38.000 Menschen weniger – niemand kann da ernsthaft behaupten, es sei nicht genug Platz in unserer Stadt. Und trotzdem ist es für Geflüchtete aktuell unglaublich schwierig, menschenwürdigen Wohnraum in Bochum zu finden. Sie berichten von einem Behördenchaos, das verhindert, dass sie rechtzeitig die Mieterlaubnis erhalten, und von diskriminierenden Erfahrungen selbst bei der halbstädtischen Wohnungsbaugesellschaft VBW. Vor allem müssen wir aber feststellen: Es leben leben 38.000 Menschen weniger in Bochum als noch 1994, aber trotzdem ist nicht genug bezahlbarer Wohnraum da. SPD und Grüne stellen das dar, als sei das ein Naturereignis. In Wirklichkeit ist das überhaupt kein Naturereignis, sondern die Folge einer seit Jahrzehnte katastrophal falsch laufenden Wohnungspolitik.

Auch andere Zahlen sind ja inzwischen bekannt: 60.000 Haushalte haben in Bochum Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein – diesen 60.000 Haushalten stehen aber nur noch 14.000 Sozialwohnungen gegenüber. Da muss sich was tun, sagen auch die Stadtverantwortlichen. Aber Fakt ist: Im kommenden Jahr werden in Bochum und Wattenscheid erneut nur lächerliche 30 Sozialwohnungen errichtet. Fakt ist, dass wir in Bochum keine kommunale Wohnungsgesellschaft haben, jedenfalls keine, bei der nicht auch die großen und rein profitorientierten Wohnungsgesellschaften mit am Tisch säßen. Das „Handlungskonzept Wohnen“, über das die Stadtverantwortlichen jetzt so stolz sprechen, setzt weiter auf Profite für Private – nach wie vor weigern sich SPD und Grüne, notwendigen Wohnungsbau und die Aktivierung von Leerstand durch Aufkauf und Sanierung selbst kommunal in die Hand zu nehmen.

Liebe Freundinnen und Freunde, ich könnte jetzt hier noch lange weiterreden – aber das ist ja nicht der Sinn und Zweck dieser Veranstaltung. Aichard Hoffmann wird ja gleich noch aus der Perspektive des Mietervereins das Thema beleuchten, und vor allem wollen wir im Anschluss ja untereinander ins Gespräch kommen. Deswegen beschränke ich mich jetzt darauf zu sagen: Wir bleiben dran an diesem Thema und an den anderen – und besonders gerne mit euch zusammen!

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