300 Demonstrant*innen vor Rathaus fordern: Keine Abschiebungen nach Afghanistan

Anlässlich der Ratssitzung am 1. Februar haben rund 300 Demonstrant*innen vor dem Bochumer Rathaus gefordert, dass die Stadt Bochum dafür Sorge tragen muss, dass kein einziger Mensch aus Bochum in das unsichere Afghanistan abgeschoben wird.

Hintergrund der Kundgebung ist der Appell des „Initiativkreises Flüchtlingsarbeit“ und der daraus resultierende Antrag der Linksfraktion, über den am gleichen Tag im Rat beraten wurde. (Mehr Infos.) Auf der Kundgebung hat unsere Fraktionsvorsitzende Sevim Sarialtun gesprochen und den Antrag vorgestellt. Im Folgenden dokumentieren wir ihre Rede.

Liebe Freundinnen und Freunde,

mein Name ist Sevim Sarialtun, und ich bin Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion im Bochumer Rat. Gleich wird der Bochumer Rat zusammentreten – das erste Mal, nachdem die Bundesrepublik Deutschland mit den umstrittenen Sammelabschiebungen nach Afghanistan begonnen hat. Und das erste Mal, nachdem der Initiativkreis Flüchtlingsarbeit diesen wichtigen Appell an die Bochumer Politik und Verwaltung beschlossen hat. Liebe Freundinnen und Freunde, in diesem Appell sprecht ihr aus, was Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und die Mitglieder der rot-grünen Rathauskoalition die ganze Zeit zu vertuschen versuchen:

Ja, natürlich – die Entscheidung der Bundesregierung, Menschen in Terror und Krieg abschieben zu wollen, ist schlimm. Natürlich tragen CDU und SPD eine Verantwortung für diese Menschenrechtsverletzungen. Ja, natürlich: Auch, dass sich die rot-grüne Landesregierung in Düsseldorf daran beteiligt, ist eine Schande! Auch sie laden Schuld auf sich. Aber – und davon versuchen Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und SPD und Grüne hier in Bochum abzulenken: Auch sie, ganz direkt hier vor Ort in Bochum, tragen eine Verantwortung.

Alle, die sich ein bisschen mit dem bundesdeutschen Abschieberegime beschäftigt haben, wissen: Menschen in Terror und Krieg abzuschieben, das funktioniert nur, wenn alle mitmachen – wenn alle bereit sind, ein Rädchen in diesem unmenschlichen Getriebe zu sein. Wenn also nach den falschen Entscheidungen der Bundesregierung verantwortungslose Politiker*innen auf Landesebene bereit sind, das auch umzusetzen, so wie das die SPD und die Grünen bei uns in NRW tun. Aber auch dann, darauf weist ihr zu Recht hin, ist noch längst nicht aller Tage Abend.

Es sind die lokalen Behörden hier vor Ort in Bochum, die den Prozess einer Abschiebung in Gang setzen. Und sie haben es auch in der Hand, Duldungen auszusprechen und zu verlängern. Sie können also dafür sorgen, dass Menschen aus humanitären Gründen nicht abgeschoben werden.

Und es ist anders, als uns die lokal Verantwortlichen immer weismachen wollen: Die lokalen Behörden müssen dafür kein einziges Gesetz und keine einzige Verordnung missachten. Im Gegenteil: Sie müssen nur ihre Verantwortung ernst nehmen. Zu Recht weist ihr darauf hin: Sie sind sogar dazu verpflichtet, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Abschiebehemmnisse vorliegen. Und angesichts der Zustände in Afghanistan kann bei einer verantwortungsvollen Prüfung eigentlich nur herauskommen: Ja, es ist völlig unverantwortlich, Menschen in Terror und Krieg zurück zu schicken!

Das bedeutet: Wenn sich die lokalen Behörden verantwortungsvoll und menschenrechtskonform verhalten, dann wird kein einziger Mensch nach Afghanistan abgeschoben, da können sich Innenminister Thomas de Maizière von der CDU und NRW-Innenminister Ralf Jäger von der SPD auf dem Kopf stellen! Deswegen ist es so unglaublich wichtig, dass wir hier vor dem Bochumer Rathaus gemeinsam Druck machen! Dass wir nicht zulassen, dass die lokal Verantwortlichen dieses „Wir-können-nichts-tun“-Märchen aufrecht erhalten!

Deswegen unterstützen wir als Bochumer Linksfraktion die Initiative von Treffpunkt Asyl, Amnesty International Bochum und Initiativkreis Flüchtlingsarbeit. Ihr fordert vom Bochumer Rat, dass er sich in einem Beschluss gegen Abschiebungen nach Afghanistan ausspricht. Genau das beantragen wir auf der heutigen Ratssitzung: Einen Beschluss des Rates, der die Verwaltung auffordert, alle rechtlichen Spielräume zu nutzen, um Abschiebungen aus Bochum nach Afghanistan zu verhindern!

In diesen Tagen gucken wir ja alle mit Sorgen über den großen Teich in die USA. Bei allem Gruseligen, was wir da gerade sehen, gibt es da aber auch etwas, was Mut macht: Denn dort machen es eine Reihe von Stadtverwaltungen, Bürgermeister*innen und Lokalpolitiker*innen gerade vor: Sie widersetzen sich aktiv einer menschenfeindlichen und rassistischen Politik, die von der Bundesebene verordnet wird. Dabei gehen sie zum Teil auch große persönliche und politische Risiken ein. Die reden sich gerade nicht raus mit: „Sorry Leute, das ist Bundespolitik, da können wir nichts tun.“

Liebe Freundinnen und Freunde, wenn das in den USA möglich ist, dann werden wir von unseren Politikerinnen und Politikern hier in Bochum doch mindestens so viel Zivilcourage einfordern können, dass sie wenigstens ihre rechtlich vorgesehenen Spielräume ausnutzen, um diese krass menschenrechtswidrigen Abschiebungen nach Afghanistan zu verhindern!

Und das alles heißt natürlich nicht, dass wir CDU und SPD auf Bundesebene sowie SPD und Grüne in Düsseldorf aus der Verantwortung entlassen. Im Gegenteil! Deshalb ist es auch ganz wichtig, dass unter anderem der Flüchtlingsrat NRW für Samstag, den 11. Februar, zu einer Demo in Düsseldorf aufruft. Wenn ihr irgendwie Zeit habt, geht da auch hin! Denn natürlich fordern wir auch einen Abschiebestopp auf Landesebene!

Aber, und deshalb freue ich mich so sehr, dass ihr alle hier seid: Der Druck auf Berlin und Düsseldorf darf nicht als Blitzableiter für die lokal Verantwortlichen dienen. Danke, dass ihr hier seid, und mit uns deutlich macht: Wir lassen es nicht zu, dass sich Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und SPD und Grüne hier in Bochum wegducken! Denn vor Ort können wir zumindest dafür sorgen, dass es keine einzige Abschiebung aus Bochum nach Afghanistan geben wird. Und dafür werden wir weiter kämpfen, mit euch gemeinsam! Vielen Dank!