Newsletter 3/2017 (Mai)

Liebe Leser*innen,

„Haltet euch an Recht und Gesetz!“, „Tarifbindung statt Sonntagsöffnung“ – an diesen Plakaten musste sich Oberbürgermeister Thomas Eiskirch auf dem Weg zur Ratssitzung vorbei schleichen. Denn vor dem Eingang hat die Gewerkschaft ver.di gegen verkaufsoffene Sonntage und für eine Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge im Handel protestiert. Fotos. Auf der Sitzung selbst haben wir als Linksfraktion einen Antrag gegen die rechtswidrigen verkaufsoffenen Sonntage in Bochum gestellt. In diesem Newsletter berichten wir nicht nur über diese Auseinandersetzung, sondern auch darüber, was auf der Ratssitzung am 18. Mai sonst noch so passiert ist.

Die Themen im Einzelnen:

1. Rot-schwarz-grüner Rechtsbruch: ver.di muss weiter klagen
2. Unsozial: Große Kürzungskoalition erhöht Gebühren für Musikschule drastisch
3. Luftschadstoffe in Bochum: Verzögerungstaktik statt schnelle Prüfung
4. Bochum Strategie: Marketing-Sprech statt Lösungen für soziale Probleme
5. Kein Werben fürs Sterben: Kritiker*innen fliegen von Berufsinformationsmesse
6. Linksfraktion für bessere Information für Geflüchtete

 

1. Rot-schwarz-grüner Rechtsbruch: ver.di muss weiter klagen

Allen Protesten zum Trotz: Eine Mehrheit aus den Reihen von SPD, CDU und Grünen hat unseren Antrag abgelehnt, die städtische Verordnung aufzuheben, die insgesamt sechs verkaufsoffene Sonntage erlauben soll. Unser Antrag im Wortlaut. Dabei ist der erste der geplanten Sonntagsöffnungen bereits vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen untersagt worden. Das Gericht hat eindeutig festgestellt, dass die gegen unsere Stimmen beschlossene Verordnung rechtswidrig ist.

Unser Fraktionsvorsitzender Ralf-D. Lange sagte dazu auf der Ratssitzung: „Als Linksfraktion hatten wir von Anfang an darauf hingewiesen: Wenn Sie dieser Vorlage zustimmen, provozieren Sie damit Klagen und absehbare Niederlagen vor Gericht. Eine sehr sachkundige Stellungnahme der Gewerkschaft ver.di, die fast einem Rechtsgutachten gleichkommt, hat Ihnen alle Argumente haarklein und hochplausibel aufgedröselt. Genutzt hat das alles nichts. Ihnen waren die Wünsche und Phantasien des Einzelhandelsverbandes wichtiger als die Interessen der Beschäftigten, und auch wichtiger als das geltende Recht.“ Die Rede im Wortlaut.

Hintergrund ist unter anderem die einstweilige Anordnung, welche die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gegen die Sonntagsöffnung am 30. April erwirkt hat. In der Begründung hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich festgestellt: „Es kann bereits im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes sicher beurteilt werden, dass die umstrittene Rechtsverordnung jedenfalls im angegriffenen Umfang offensichtlich rechtswidrig und nichtig ist.“ Weiter schreibt das Gericht, die vom Bochumer Rat beschlossene Verordnung werde dem verfassungsrechtlichen Auftrag des Sonntagsschutzes „nicht ansatzweise gerecht“. Mehr Infos.

Dazu sagte Ralf-D. Lange in unserer Antragsbegründung: „Nicht ansatzweise gerecht! Das ist eine ausdrückliche Klatsche, nicht nur für die Ratsmehrheit, die der rechtswidrigen Verordnung zugestimmt hat, sondern auch für die Bochumer Verwaltung, die sie vorgelegt hat. Und auch für Sie als Rechtsdezernent, Herr Kopietz. Jedes einzelne Argument, mit dem das Gericht jetzt die vielfache Rechtswidrigkeit der Verordnung begründet hat, lag Ihnen genauso wie uns vorher auf dem Tisch. Wenn Sie sich die umfangreiche Begründung zur einstweiligen Anordnung in Bezug auf die Sonntagsöffnung am 30. April durchgelesen haben, dann wissen Sie auch: Die vielen vom Gericht angeführten Gründe für die Rechtswidrigkeit treffen auch auf die weiteren in Bochum geplanten verkaufsoffenen Sonntage zu. Deswegen muss der Rat seine Fehlentscheidung korrigieren und die Verordnung aufheben. Nur so können wir der Stadt weitere Niederlagen vor Gericht ersparen.“

Genützt hat das alles nichts. In unseren Augen ist es ein Skandal, dass SPD, CDU und Grüne gemeinsam versuchen, weiter an einer unzweifelhaft rechtswidrigen Verordnung festzuhalten. Weitere Gerichtsurteile und Niederlagen für die Stadt werden folgen. Als Linksfraktion werden wir weiterhin die Gewerkschaft ver.di unterstützen, die gegen diese arbeitnehmer*innenfeindliche und rechtlich fragwürdige Politik vorgeht.

 

2. Unsozial: Große Kürzungskoalition erhöht Gebühren für Musikschule drastisch

Auch in einem anderen Punkt hat die rot-grüne Rathauskoalition ihre Drohung wahr gemacht: Gegen unsere Stimmen hat der Rat eine massive Erhöhung der Musikschul-Entgelte beschlossen. Teil der großen Kürzungskoalition waren neben der SPD und den Grünen auch die CDU und weitere kleinere Fraktionen.

Zuvor hatte unser Ratsmitglied Horst Hohmeier die Pläne deutlich kritisiert: „Die von der Verwaltung vorgeschlagene Gebührenerhöhung ist zutiefst unsozial und trifft vor allem die Schwächsten. Sie gefährdet außerdem die sehr gute und inklusive Arbeit der Musikschule. Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen: Wenn Sie jetzt sagen, diese zutiefst unsoziale Entscheidung sei wegen des Haushaltssicherungskonzepts alternativlos, dann sagen wir: Das ist bestenfalls die halbe Wahrheit. Erstens setzen Sie falsche Prioritäten, und zweitens ist dieses Haushaltssicherungskonzept ist nicht vom Himmel gefallen – sondern Sie haben es gegen unsere Stimmen durchgesetzt. Es bleibt dabei: Wenn Sie mit Ihrer Ankündigung ernst machen und für diese Erhöhung stimmen, werden Kinder aus Familien, bei denen das Geld jetzt schon knapp ist, als erstes von der Musikschule abgemeldet. Deswegen stimmen wir gegen die unsozialen Erhöhungen, und fordern Sie auf, das auch zu tun.“ Die Rede im Wortlaut.

Die weitreichenden Folgen des Beschlusses: Für den Unterricht von Kindergarten- und Grundschulkindern müssen Eltern zukünftig bis zu 408 Euro im Jahr bezahlen, bisher waren es maximal 320 Euro. Das Entgelt für Gruppenunterricht steigt von 276 bis 350 Euro auf 384 bis 468 Euro pro Jahr. Beim Partnerunterricht steigen die Gebühren sogar von bisher maximal 490 Euro auf bis zu 636 Euro. Die Gebührenbefreiung für Familien mit wenig Einkommen wird weitgehend abgeschafft – lediglich für Unterrichtsstunden im Klassenunterricht können sie weiterhin Befreiungen beantragen. Die Ermäßigung für Geschwisterkinder sinkt von 50 Prozent auf 20 Prozent. Was für Normalverdiener*innen bereits eine große Belastung ist, wird nun Kinder aus Familien, bei denen das Geld sowieso schon knapp ist, nachhaltig aus der Musikschule ausschließen.

 

3. Luftschadstoffe in Bochum: Verzögerungstaktik statt schnelle Prüfung

Eigentlich ist für die Überwachung von Luftschadstoffen in Bochum das Land NRW zuständig. Tatsächlich kommt das zuständige Landesamt dieser Aufgabe aber kaum nach. Deswegen haben andere Städte in NRW längst beschlossen selbst aktiv zu werden. Wir wollen eine solche kommunale Schadstoff-Überwachung auch in Bochum auf den Weg bringen. Gemeinsam mit dem fraktionslosen Ratsmitglied André Kasper haben wir beantragt, dass die Verwaltung prüft, an welchen Standorten im Bochumer Stadtgebiet Stickstoffdioxid-Messstationen eingerichtet werden können. Der Antrag im Wortlaut.

Unser Ratsmitglied Horst Hohmeier begründete den Antrag: „Ich denke, wir sind uns hier alle einig, dass weitere Messstationen im Bochumer Stadtgebiet dringend notwendig sind. Jedenfalls hat die Stadt Bochum ja bereits in den Jahren 2008 und 2012 eine Messstation für Luftschadstoffe an der A40 beantragt. Das zuständige Landesamt hat die Anträge leider abgelehnt. Auch kündigt die Verwaltung an, jetzt erneut Anträge beim Land NRW zu stellen. Aber es gibt nun wirklich keinen Grund dafür, es bei diesen Anträgen an das Land zu belassen und darauf zu hoffen, dass daraufhin vielleicht irgendwann mal was passiert. Nein, die Stadt Bochum kann auch selbst aktiv werden, so wie das andere Städte wie Dortmund und Wuppertal längst machen. Wenn Dortmund und Wuppertal selbst messen können, dann kann das Bochum auch!“ Die Rede im Wortlaut.

Laut der Europäischen Umweltagentur waren bereits im Jahr 2012 ca. 10.000 vorzeitige Todesfälle in Deutschland auf die Aussetzung gegenüber Stickstoffdioxid (NO2) zurückzuführen. An der einzigen Messstation im Bochumer Stadtgebiet liegen die NO2-Werte deutlich über dem Grenzwert. Trotzdem hat eine von SPD, CDU und den Grünen getragene Ratsmehrheit darauf bestanden, die Entscheidung darüber zu vertagen, ob die Verwaltung prüfen soll, wo Messstationen aufgestellt werden können. Zuerst soll nochmal im Umweltausschuss darüber geredet werden. Wir kritisieren diese Verzögerungstaktik und werden uns im Ausschuss weiter für einen zügigen Beschluss einsetzen.

 

4. Bochum Strategie: Marketing-Sprech statt Lösungen für soziale Probleme

Während es im Bochumer Rat keine Mehrheiten für soziale und ökologische Belange gibt, war die Zustimmung bei einem anderen Tagesordnungspunkt groß: Mit einer breiten Mehrheit hat der Rat eine sogenannte „Bochum Strategie“ verabschiedet – ein Marketing-Papier, in dem der Stadtrat den Werbespruch „Wissen – Wandel – Wir-Gefühl“ als neuen „Wesenskern“ der Stadt Bochum festschreibt. Weiter beinhaltet die neue „Bochum Strategie“ ein fünfdimensionales „Zielsystem“, das aus folgenden Dimensionen besteht: „Vorreiter modernen Stadtmanagements“, „Großstadt mit Lebensgefühl“, „Hotspot der Live-Kultur“, „Talentschmiede im Ruhrgebiet“, und „Shootingstar der Wissensarbeit“.

Unabhängig davon, ob diese Phrasendrescherei nun eher als Ausdruck von Kreativität oder als Peinlichkeit zu beurteilen ist: Verräterisch finden wir, dass die Bürger*innen in dem Konzept an mehreren Stellen als „Kunden“ der Stadt bezeichnet werden, und wie viel es in dem Papier um „Management“ geht. Auch bei so viel neoliberalem Wortgeklingel, wir bleiben dabei: Eine Stadt ist kein Unternehmen, eine Stadt ist ein Gemeinwesen. Deswegen werden wir uns weiter für soziale und demokratische Rechte einsetzen, und auch weiterhin kritisieren, wenn soziale Konflikte mit Sprüchen aus der Gedankenwelt von PR-Agenturen übertönt werden sollen.

 

5. Kein Werben fürs Sterben: Kritiker*innen fliegen von Berufsinformationsmesse

Zusammen mit dem Bochumer Friedensplenum, terre des hommes, der Bildungsgewerkschaft GEW und weiteren Aktiven haben wir bei der Berufsinformationsmesse Ruhr in der Jahrhunderthalle Bochum gegen Bundeswehr-Werbung unter Jugendlichen ab 14 Jahren protestiert. Für scharfe Kritik sorgte dabei der Umgang der stadteigenen Bochumer Veranstaltungs-GmbH mit den Kritiker*innen: Der Protest gegen die Anwesenheit der Bundeswehr wurde von den Veranstaltern durch Hausverbote und Polizeieinsatz untersagt.Oberbürgermeister Thomas Eiskirch, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Veranstaltungs-GmbH ist, hielt sich die ganze Zeit über in der Nähe auf und unterstützte offensichtlich das rigorose Vorgehen der Veranstalter gegenüber der Friedensbewegung. Fotos und mehr Infos.

Seit Jahren ist die Zusammenarbeit der Stadt Bochum mit der Bundeswehr heftig umstritten. „Der Versuch, Jugendliche für das Militär anzuwerben, verstößt gegen die UN-Kinderrechtskonvention“, kritisierte unser Ratsmitglied Horst Hohmeier bereits im Vorfeld. „Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat gefordert, Werbeaktivitäten der Bundeswehr bei unter 18-Jährigen zu verbieten. Und trotzdem weigert sich die rot-grüne Rathauskoalition in Bochum seit Jahren, diesem Treiben ein Ende zu setzen.“ Mehr Infos.

Die Berufsinformationsmesse wird nicht nur von einem stadteigenen Tochterunternehmen durchgeführt, für die Aquise ist sogar das Jugendamt zuständig. Das halten wir für nicht akzeptabel. Denn schließlich ist es eigentlich Aufgabe des Jugendamtes, die Rechte von Jugendlichen zu schützen, und nicht, sie Militärwerbung auszusetzen.

 

6. Linksfraktion für bessere Information für Geflüchtete

Im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales haben wir beantragt, was aktive Geflüchtete schon lange fordern: Die Stadt soll endlich eine mehrsprachige Broschüre erstellen, um die komplizierten Verfahren verständlich zu erklären, wie Geflüchtete die Erlaubnis zur Anmietung einer eigenen Wohnung erhalten können. Denn häufig sehen sie die Betroffenen mit widersprüchlichen Informationen und Gerüchten konfrontiert. Eine offizielle für sie verständliche Informationsquelle, in der sie das alles nachlesen können, gibt es nicht. Auch viele Ehrenamtliche fühlen sich damit überfordert die Abläufe zu erklären, da die Stadt die Informationen nicht in einer sinnvoll aufbereiteten Form zur Verfügung stellt. Ziel unseres Antrags war es, das zu ändern. Der Antrag im Wortlaut.

Leider haben SPD, CDU, Grüne und AfD den Antrag gemeinsam abgelehnt. Begründung: Es gebe ja eine bundesweite Broschüre des Bundesamts mit allgemeinen Infos. Außerdem existiere in Bochum eine Powerpoint-Präsentation zum Thema, und die Sozialarbeiter*innen und die Ehrenamtlichen gebe es ja auch. Das reiche aus.

Zuvor hatte unsere Fraktionsvorsitzende Sevim Sarialtun an die Vertreter*innen der anderen Fraktionen appelliert: „In Gesprächen mit der inzwischen aufgelösten Stabsstelle Flüchtlingsarbeit haben Betroffene und Ehrenamtliche auch immer wieder darauf hingewiesen, dass hier ein dringender Handlungsbedarf besteht. Dabei wurden sie unter anderem damit vertröstet, dass die Stadt ja die Veröffentlichung einer Flüchtlings-App plant. Die App ist inzwischen veröffentlicht, aber verständlich aufbereitete Informationen zur Privatwohnungsnahme gibt es immer noch nicht. Dieses Problem lässt sich mit etwas besserer Informationspolitik lösen. Die von uns beantragte Broschüre wäre nicht nur für viele Geflüchtete eine riesige Hilfe, sondern sie würde auch für vielen Ehrenamtliche und sogar für den Sozialarbeiter*innen vor Ort das Leben einfacher machen.“ Die Rede im Wortlaut.

 

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