Newsletter 7/2015 (August)

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Sommerpause im Bochumer Rathaus ist vorbei – in unserem August-Newsletter berichten wir von der Ratssitzung am 27. August und von unseren sonstigen Aktivitäten in den vergangenen Wochen. Denn Sommer hin oder her, ruhig war es wahrlich nicht in den Ratsferien. Insbesondere die Bochumer Flüchtlingspolitik hat uns umgetrieben, die daher auch einer der Schwerpunkte in diesem Newsletter ist.

Die Themen im Einzelnen:

1. Haushalt 2016: Rot-Grün will Kürzungspolitik fortsetzen
2. Geflüchtete müssen zumindest vorerst nicht auf Friedhof wohnen
3. Unterbringungssituation wird weiter schlimmer
4. Linksfraktion beantragt kommunales Wohnungsbauprogramm
5. Kein Cannabis Social Club für Bochum
6. Linksfraktion unterstützt Proteste zur Berufsbildungsmesse
7. Gegen Kriminalisierung von Protest und Satire
8. Nach Ablehnung des Schlichterspruchs: Solidarität mit ErzieherInnen
9. Last-Minute-Info: Linksfraktion auf Sommerfest der Bochumer LINKEN


1. Haushalt 2016: Rot-Grün will Kürzungspolitik fortsetzen

Auf der Ratssitzung hat Stadtkämmerer Manfred Busch den Haushaltsentwurf der Verwaltung für das kommende Jahr eingebracht. Über den Entwurf soll in den Monaten in den Bezirksvertretungen und in den Ausschüssen des Rats beraten werden. Endgültig verabschiedet werden soll der Haushalt dann im Januar. Inhaltlich wird bereits durch den Entwurf klar, dass die von SPD und Grünen durchgesetzte unsoziale Kürzungspolitik weiter fortgesetzt werden soll. Anzeichen für ein Umdenken gibt es trotz der massiven Proteste, die es seit Einbringung des Kürzungshaushaltes 2015 gab, nicht. In einem Redebeitrag hat Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz die Haushaltssperren in diesem Jahr als „kleine Unterbrechungen“ der städtischen Handlungsfähigkeit bezeichnet, was unserer Meinung nach angesichts der berechtigten Proteste der Betroffenen sozialen und kulturellen Einrichtungen in unserer Stadt eine unangemessene Verniedlichung darstellt. Eine konkrete Folge des Kürzungshaushalts 2015 versuchte Stadtkämmerer Manfred Busch dem Rat als Erfolg zu verkaufen: Zum Ende des Jahres 2015 werde die Stadt insgesamt 50 Arbeitsplätze abgebaut haben. Auf weitere Folgen wie zum Beispiel die Kürzung der Öffnungszeiten bei Freibädern, Büchereien, Jugendeinrichtungen und die unsozialen Gebührenerhöhungen oder den krassen Sanierungsstau bei städtischen Gebäuden ging er dagegen nicht ein. Ein weiterer Hammer ist die von der Verwaltung vorgeschlagene massive Erhöhung der Grundsteuer B, die eine erhebliche Belastung für die Bochumer BürgerInnen zur Folge hätte.

Als Linksfraktion werden wir weiter den Proteste gegen die unsoziale Kürzungspolitik unterstützen. In den Beratungen des Haushaltsentwurfs 2016 werden wir Alternativen zur Kürzungspolitik stark machen. Wir fordern einen grundsätzlichen Politikwechsel, damit unsere Stadt nicht weiter kaputt gekürzt wird.

 

2. Geflüchtete müssen zumindest vorerst nicht auf Friedhof wohnen

Der Beschluss der vergangenen Ratssitzung, Geflüchtete in Containern auf Friedhof Weitmar unterzubringen, ist zumindest vorerst vom Tisch. Als Linksfraktion haben wir beantragt, den Beschluss aus der letzten Sitzung zu revidieren (Unser Antrag im Wortlaut). In seiner Antragsbegründung hat unser Fraktionsvorsitzender Ralf-D. Lange erklärt:

„Es ist eine Peinlichkeit für den gesamten Bochumer Rat, dass der Antrag so beschlossen worden ist. Denn es ist nicht akzeptabel, dass oftmals von Krieg und Gewalt traumatisierte Flüchtlinge ausgerechnet auf einer Friedhofswiese wohnen müssen. […] Wir stellen jetzt hier einen sehr begrenzten Antrag, der lediglich diesen einen Fehler im Beschluss korrigiert. Das bedeutet nicht, dass wir mit dem Rest einverstanden sind. Wir haben bereits unsere grundsätzliche Kritik an der Unterbringungspolitik in Bochum formuliert. Die Unterbringung in Containern, erst Recht, wenn dort Menschen zusammengepfercht auf einer Netto-Nutzfläche von 6,6 Quadratmetern pro Person leben sollen, ist nicht menschenwürdig – nicht nur unserer Meinung nach, sondern auch nach dem Unterbringungs- und Betreuungskonzept der Stadt Bochum. Es bleibt ein unerträglicher Zustand, dass die Stadt bei den aktuellen Planungen weiter gegen ihre eigenen Standards für menschenwürdige Unterbringung verstößt.“ Die gesamte Rede von Ralf-D. Lange mit weiteren Infos im Wortlaut. [Dokumentation: Grundriss der geplanten Container]

Bereits zeitnah nach der vergangenen Sitzung hatten wir gefordert, den Friedhofs-Beschluss so schnell wie möglich zurückzunehmen. Nachdem SPD und Grüne zunächst den von ihnen eingebrachten Beschluss gerechtfertigt haben, konnten wir bereits unmittelbar nach Einbringung unserers Antrags Mitte Juli Bewegung feststellen. (Mehr Infos.) Letztendlich haben es SPD und Grüne jedoch nicht übers Herz gebracht, unserem Antrag unverändert zuzustimmen. Durch einen mit der rot-grünen Stimmenmehrheit durchgesetzten Änderungsantrag halten sich SPD und Grüne nun die Möglichkeit offen, die Friedhofswiese zu einem späteren Zeitpunkt doch noch zur Unterbringung von Geflüchteten zu nutzen.

 

3. Unterbringungssituation wird weiter schlimmer

Die Unterbringungssituation von Geflüchteten in Bochum verschlimmert sich weiter. Auf Bitten der Verwaltung hat der Rat beschlossen, drei weitere Containersiedlungen auf Bochumer Sportplätzen zu errichten. In jeder der Sportplatz-Containersiedlungen sollen 220 Menschen leben müssen. Das sind doppelt so viele wie in den bisher beschlossenen Containerunterkünften, und sogar fast drei mal so viele wie in ihren Standards für menschenwürdige Unterbringung eigentlich festgelegt. Lediglich der von der Verwaltung vorgeschlagene Standort Am Hausacker 43a in Bochum-Riemke unmittelbar neben einem aktiv genutzten Schießplatz wurde von der Ratsmehrheit mit einem Vorbehalt versehen.

In der Presse bereitet die Leiterin des Bochumer Amts für Soziales und Wohnen Ute Bogucki die Öffentlichkeit auf weitere Grausamkeiten vor: Es gelte, „die Schamgrenze herunterzuschrauben“, sagte Bogucki laut WAZ. Demnach müsse Bochum auch darüber nachdenken, Geflüchtete in Zelten und weit außerhalb auf dem Opel-Gelände unterzubringen. „Mit solchen Vorschlägen wird die Schamgrenze meilenweit unterschritten“, sagte Horst Hohmeier, Ratsmitglied und Oberbürgermeisterkandidat der LINKEN. „Geflüchtete in Zelten oder auf dem unsanierten und mit Schadstoffen belasteten Opel-Gelände unterzubringen ist für uns ausgeschlossen.“ Weiter mahnte Hohmeier zur Sachlichkeit: „Auch nach den aktuellsten Schätzungen muss Bochum in diesem Jahr für weniger Flüchtlinge Verantwortung übernehmen als zu Beginn der 1990er Jahre. Dass die Stadt trotzdem dabei versagt, Grundsätze der Menschenwürde einzuhalten, ist nicht die Folge eines ‚Ansturms’, sondern einer völlig falschen Politik der vergangenen Jahre. Eine Stadt wie Bochum braucht viel mehr sozialen Wohnungsbau und viel mehr Wohnungen in städtischem Eigentum.“ Mehr Infos.

 

4. Linksfraktion beantragt kommunales Wohnungsbauprogramm

Am 10. September wird der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf Antrag der Linksfraktion über die Entwicklung eines kommunalen Wohnungsbauprogramms für Bochum beraten. In unseren Augen kann die einzige Antwort auf das Versagen der Stadt bei der menschenwürdigen Unterbringung von Schutzssuchenden nur sein: Aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, den sozialen Wohnungsbau massiv voran treiben. In unseren Augen muss die Verwaltung sofort mit der Planung und Konzeptionierung eines solchen Programms beginnen. Wir hoffen, dass die Mitglieder der anderen Fraktionen unserem Antrag zustimmen. Unser Antrag im Wortlaut.

 

5. Kein Cannabis Social Club für Bochum

Auf der Ratssitzung hat die Linksfraktion dafür gestimmt, dass die Stadt Bochum einen Modellversuch zur Eröffnung eines Bochumer Cannabis Social Clubs beantragt. Ein Cannabis Social Club ist ein nichtkommerzieller Verein, in dem die volljährigen Mitglieder den unkommerziellen kollektiven Anbau einer limitierten Menge von Cannabis selbst organisieren, um den persönlichen Bedarf an Cannabis als Genussmittel und Medizin zu decken. Als Linksfraktion halten wir herrschende Hanf-Prohibition für gesellschaftlich kontraproduktiv und begrüßen Ansätze und Modellversuche zur Legalisierung. Während es in Städten wie Düsseldorf und Berlin eine politische Mehrheit für Legalisierungsprojekte gibt, sah das bei uns in Bochum nun leider anders aus: SPD und CDU haben mit ihrer Stimmenmehrheit gegen einen Modellversuch gestimmt, und selbst die Mitglieder der Grünen Ratsfraktion stimmten uneinheitlich ab. Insbesondere die CDU bediente sich dabei unserer Meinung nach unzutreffenden Argumenten von der angeblichen „Einstiegsdroge“ Cannabis. Ein Grund für die Ablehnung im Rat mag auch sein, dass der Antrag von der Fraktion FDP/Stadtgestalter zusammen mit der Ex-Piratin Stephanie Kotalla ohne einen vorbereitenden Prozess und ohne die Einbindung gesellschaftlicher Bündnisse eingebracht wurde. Das bedauern wir, denn unserer Überzeugung nach gibt es eine gesellschaftliche Mehrheit für eine vernünftigere Cannabis-Politik.

 

6. Linksfraktion unterstützt Proteste zur Berufsbildungsmesse

Die Linksfraktion im Bochumer Rat unterstützt die geplanten Proteste gegen die Beteiligung der Bundeswehr an der Berufsbildungsmesse am 9. und 10. September im RuhrCongress. Es ist unserer Meinung nach nicht tolerierbar, dass die Bundeswehr eingeladen wird, um bei Jugendlichen ab 14 Jahren Werbung zu machen. Erneut sollen Ausbildungsplatzknappheit und hohe Jugendarbeitslosigkeit dazu genutzt werden, junge Menschen für den Dienst an der Waffe zu gewinnen. Bereits im vergangenen Jahr hat sich die Linksfraktion aktiv an den Protesten beteiligt, denn der Soldatenberuf ist kein Beruf wie jeder andere, sondern eine Ausbildung zum Töten. Er kann außerdem auch für die Bochumer Schülerinnen und Schüler, die sich anwerben lassen, selbst tödlich enden. In unseren Augen ist es unverantwortlich, dass die Stadt solche Anwerbeaktionen der Bundeswehr unterstützt.

Nach den Protesten in den vergangenen Jahren und kontroversen Diskussionen im Rat wird die Berufsbildungsmesse in diesem Jahr nicht mehr direkt vom Bochumer Jugendamt veranstaltet. Für das „Ausstellermanagement“ ist jetzt die Bochumer Veranstaltungs-GmbH zuständig, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Stadt. Ziel ist es wohl, dass das Jugendamt, das eigentlich für den Schutz und die Unversehrtheit von Kindern und Jugendlichen da sein sollte, ein Stück weit aus der Kritik zu nehmen. An unserer Kritik ändert sich dadurch nichts. Deswegen werden erneut zusammen mit dem Bochumer Friedensplenum und weiteren BündnispartnerInnen vor Ort gegen den Bundeswehreinsatz bei den SchülerInnen und für eine Zivilisierung der Berufsbildungsmesse protestieren. Wir rufen alle Bochumerinnen und Bochumer auf, sich an den Protesten vor Ort zu beteiligen. Mehr Infos beim Friedensplenum.

 

7. Gegen Kriminalisierung von Protest und Satire

Pünktlich zur Berufsbildungsmesse 2015 hat die Bochumer Verwaltung auf unsere bereits im April gestellte Anfrage zur versuchten Kriminalisierung der letztjährigen Proteste geantwortet. Hintergrund ist, dass Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz eine Strafanzeige gegen die Veröffentlichung einer Collage eines Bochumer Künstlers gestellt hatte, in der der Jugendamtsleiter mit einem Satz zitiert wird, den er zur Begründung der Teilnahme der Bundeswehr an der Berufsbildungsmesse anführte: „Es ist uns wichtig, dass jeder Jugendliche einen Job findet.“ Da die Anzeige unberechtigt war, hat die Staatsanwaltschaft noch nicht eimmal Anklage erhoben.

In unserer Anfrage wollten wir jetzt wissen, ob die Oberbürgermeisterin und das Rechtsamt der Stadt der offensichtlich unberechtigten Anzeige Chancen eingeräumt haben, oder ob es sich um einen Einschüchterungsversuch gegenüber den Betroffenen gehandelt hat. Außerdem haben wir gefragt, welche Konsequenzen die Fehleinschätzung für die Verantwortlichen hat, und wie hoch die Stadt den finanziellen Schaden einschätzt, den die Oberbürgermeisterin durch unberechtigte und überflüssige Anzeigen den SteuerzahlerInnen beigefügt hat? (Gemeint sind Arbeitszeiten beim Staatsschutz und der Justiz.) Unsere Anfrage im Wortlaut.

Aus der Antwort geht jetzt hervor: Bisher mussten Gerichte und Behörden über insgesamt 65 Strafanzeigen wegen Beleidigung entscheiden, die Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz gestellt hat. 37 Mal gab es eine Geldbuße, 28 Mal wurde das Verfahren eingestellt. Die Anzeige anlässlich der Berufsbildungsmesse begründet die Verwaltung mit einer „Fürsorgepflicht“ gegenüber Jugendamtsleiter Dolf Mehring, „der bei der Wahrnehmung seiner dienstlichen Verpflichtungen zur Durchführung der Berufsbildungsmesse Mittleres Ruhrgebiet regelmäßigem Spott und Verunglimpfungen ausgesetzt war.“ In unseren Augen müssen sich die Verantwortlichen der Stadt der Kritik an ihrem Handeln stellen, auch Spott und Satire dürfen nicht kriminalisiert werden. Die Antwort auf unsere Anfrage im Wortlaut.

 

8. Nach Ablehnung des Schlichterspruchs: Solidarität mit ErzieherInnen

Nach der Ablehnung des Schlichterspruchs im Streik der Sozial- und Erziehungsdienste appelliert die Linksfraktion an die Bochumer Eltern. Verständnis und Solidarität mit den Beschäftigten der Sozial- und Erziehungsberufe sind jetzt besonders wichtig, denn die überfällige Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe kann nur mit Rückendeckung der Eltern erreicht werden. Unsere Erklärung im Wortlaut.

 

9. Last-Minute-Info: Linksfraktion auf Sommerfest der Bochumer LINKEN

Wer mit uns persönlich ins Gespräch kommen will, hat dafür bereits am Samstag, den 29. August die nächste Gelegenheit: Die Bochumer Linksfraktion beteiligt sich am Sommerfest der LINKEN auf dem Dr.-Ruer-Platz, zu dem sich unter anderem auch der Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Bundestag Gregor Gysi angekündigt hat. Los geht es um 11 Uhr – wir stehen gerne für Fragen, Gespräche und Anregungen zur Verfügung.