Newsletter 7/2016 (August/September)

Liebe Leser*innen,

am Donnerstag, den 1. September hat der Bochumer Rat zum ersten Mal nach der Sommerpause getagt. In diesem Newsletter berichten wir von der Sitzung und von unseren weiteren Aktivitäten in den vergangenen Wochen. Es geht unter anderem um Personalabbau, die Proteste vor dem Rathaus und ein neues Dumpinglohn-Programm für Geflüchtete. Und einen Teilerfolg haben wir auch noch zu vermelden.

Die Themen im Einzelnen: 

1. Haushaltsberatungen 2017 beginnen
2. Protestcamp gegen Vertreibung aus Bochum
3. Unsozial und rassistisch: 80-Cent-Jobs für Geflüchtete
4. Abschiebungen aus Bochum
5. Stillstand in Sachen Städtekoalition gegen Rassismus?
6. Stromsperren und Zwangsräumungen: Linksfraktion verlangt Zahlen
7. Solidarität mit Beschäftigten bei ThyssenKrupp
8. Neues Gesicht in der Bezirksvertretung Mitte
9. Verkaufsoffene Sonntage: Verwaltung bestätigt Linksfraktion
10. Es ist viel passiert – weitere Meldungen

 

1. Haushaltsberatungen 2017 beginnen

Mit dieser Ratssitzung haben die Beratungen für den städtischen Haushalt des kommenden Jahres begonnen. Stadtkämmerer Manfred Busch brachte den Haushaltsentwurf ein. Dabei machte er deutlich, dass die Verwaltungsspitze um Oberbürgermeister Thomas Eiskirch an dem bisherigen Personalabbau-Kurs festhalten will. Besonders vehement rechtfertigte Busch den Personalkostendeckel, der dazu führen soll, dass bei der Stadt jedes Jahr 80 Stellen gestrichen werden. Als Linksfraktion lehnen wir eine Politik ab, die öffentliche Infrastruktur abbaut und Arbeit bei den städtischen Beschäftigten weiter verdichtet. Außerdem ist bereits absehbar, dass die eingeplanten Investitionen von 120 Millionen Euro nicht annähernd ausreichen, um den seit Jahrzehnten entstandenen und Investitionsstau an Gebäuden und sonstigen städtischen Liegenschaften aufzulösen. Bis zum 8. Dezember werden jetzt die Ausschüsse und Bezirksvertretungen über den Haushalt beraten, dann steht die endgültige Entscheidung im Rat an. Vorher drohen möglicherweise bereits erneut Gebührenerhöhungen für städtische Leistungen. Wir werden uns in den Haushaltsberatungen konsequent für ein Ende der sozialen Schieflage der Bochumer Politik einsetzen und fordern auch von den anderen Fraktionen ein Umdenken ein.

 

2. Protestcamp gegen Vertreibung aus Bochum

Seit Mittwoch protestieren anerkannte Geflüchtete mit einem Protestcamp vor dem Bochumer Rathaus. Ihnen droht die Vertreibung aus unserer Stadt. Viele von ihnen haben hier bereits eine Wohnung gefunden, ihre Kinder gehen in Bochum zur Schule. Als Linksfraktion unterstützen wir den Protest und kritisieren scharf, dass das Jobcenter einigen bereits die Sozialleistungen gestrichen hat, und dass die Stadt sie dazu auffordert, die Kommune zu verlassen – trotz Aufenthaltsrecht und legalem Umzug nach Bochum. Insgesamt sollen bis zu 1.000 Menschen betroffen sein.

Hintergrund ist die hoch umstrittene Wohnsitzauflage im neuen „Integrationsgesetz“. Mit ihr sollen die Menschen dazu gezwungen werden, in dem Bundesland ihren Wohnsitz zu nehmen, in dem ihr Asylantrag bearbeitet worden ist. Dazu sagte unser Ratsmitglied Gültaze Aksevi: „Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und seine Verwaltung haben eine soziale Verantwortung für alle, die in dieser Stadt leben. Wir fordern von der Stadt Bochum, dass sie sich schützend vor ihre Neu-Bochumer*innen stellt. Die richtigen Schritte wären Angebote zur Rechtsberatung und die Zusicherung, dass die Stadt alles in ihrer Macht stehende tut, dass sie in Bochum bleiben können.“ Mehr Infos.

Auf der Ratssitzung wies unser Fraktionsvorsitzender Ralf-D. Lange darauf hin, dass einige andere Städte klargestellt haben, dass sie nicht planen, Menschen zu vertreiben, die vor Inkrafttreten des Integrationsgesetzes in ihre Kommune gekommen sind. Zum Beispiel hat die Ausländerbehörde Berlin in ihren aktuellen Verfahrenshinweisen bereits veröffentlicht: Personen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Berlin genommen haben, ist es ausnahmslos nicht zuzumuten, wieder in den Ort der Erstzuweisung zurückzukehren. Vor diesem Hintergrund stellte Ralf-D. Lange Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und der Verwaltung einige Fragen: „Wieso schürt die Stadt Bochum Angst und Unsicherheit unter den Geflüchteten, die seit Monaten in Bochum leben? Wieso hat es die Stadt Bochum bisher nicht geschafft, wie Berlin eine solche Lösung zu beschließen und öffentlich zu kommunizieren? Was unternimmt die Stadt gegen die existenzbedrohende Streichung der Sozialleistungen für die Betroffenen? Können wir davon ausgehen, dass die Stadt alle zur Verfügung stehenden Spielräume nutzt, um sich schützend vor ihre Neubürgerinnen und Neubürger zu stellen?“ Die mündliche Anfrage im Wortlaut. Leider lehnten die Verantwortlichen es ab, in der Ratssitzung zu antworten. Trotz der Dringlichkeit für die Betroffenen soll eine schriftliche Antwort erst innerhalb der kommenden acht Wochen folgen. Auch das sagt viel über das Kommunikationsverhalten der Stadt in dieser Sache aus.

 

3. Unsozial und rassistisch: 80-Cent-Jobs für Geflüchtete

Auch eine weitere umstrittene Neuerung des „Integrationsgesetzes“ soll nach dem Willen der Ratsmehrheit in Bochum umgesetzt werden: Gegen unsere Stimmen haben SPD und Grüne einem CDU-Antrag zugestimmt, dass die Stadt Bochum 80-Cent-Jobs für Geflüchtete einrichten soll. Die Betroffenen sollen unter anderem beim Technischen Betrieb der Stadt eingesetzt werden, schlägt dazu die Verwaltung vor.

Über die genaue Umsetzung soll noch im Sozialausschuss diskutiert werden, aber die diskriminierenden Rahmenbedingungen stehen schon fest: Es handelt sich um ein Konstrukt, das den 1-Euro-Jobs ähnelt, mit denen jetzt bereits Hartz-IV-Empfänger*innen und Geflüchtete gegängelt werden: Zu einem Bruchteil des eigentlich geltenden Mindestlohns wird ein neuer Dumpinglohn-Sektor gefördert. Die viel zu niedrigen Sozialleistungen werden ausgenutzt, um Menschen dazu zu bringen, für solch niedrige Beträge zu arbeiten. Bisher haben Geflüchtete mit 1-Euro-Jobs 1,05 Euro pro Stunde bekommen. Hartz-IV-Empfänger*innen erhalten in Bochum in der Regel 1,50 Euro pro Stunde. Im neuen „Integrationsgesetz“ ist nun geregelt, dass der Stundensatz für Geflüchtete auf 0,80 Euro pro Stunde abgesenkt wird. Selbst für eine ganze 30-Stunden-Arbeitswoche erhalten sie damit lediglich demütigende 24 Euro! Flüchtlingsinitiativen kritisieren diese Ungleichbehandlung und weitere Absenkung als eine neue Form des Rassismus – und als Signal, dass Geflüchtete in den Augen der Politik noch einmal weniger wert sein sollen als Hartz-IV-Empfänger*innen.

Wir stellen fest, dass die CDU bei ihrer Antragsbegründung nicht ehrlich war: Sie schreibt, die von ihr beantragten 80-Cent-Jobs sollten sich an „freiwillige Asylbewerber“ richten. Richtig ist dagegen: Sind die Dumpinglohn-Jobs erst einmal eingerichtet, sind sie laut Asylbewerberleistungsgesetz verpflichtend. Wer sich wegen der unterirdischen Bezahlung zum Beispiel dafür entscheidet, lieber vollständig ehrenamtlich in einem sinnvolleren Projekt zu arbeiten, kann mit Sanktionen bestraft werden. Als Linksfraktion lehnen wir die Schaffung von 80-Cent-Jobs durch die Stadt Bochum ab und fordern stattdessen mehr Engagement gegen prekäre Beschäftigung und Ausbeutung. Besonders enttäuscht sind wir von der Zustimmung der Grünen, die sich auf Bundesebene noch gegen die 80-Cent-Jobs positioniert hatten. Der Vorschlag der Grünen Ratsfraktion, dass man die Beschäftigungsverhältnisse ja mit Sprachkursen verbinden könne, machen den Dumpinglohn und den damit verbundenen Arbeitszwang auch nicht besser.

 

4. Abschiebungen aus Bochum

Die Stadt Bochum hat dieses Jahr bereits bis Ende Juli mehr Menschen abschieben lassen als im gesamten Vorjahr. Das ergibt sich aus der Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage unserer Fraktion. Demnach sind von Januar bis Juli 2016 insgesamt 64 Menschen gewaltsam abgeschoben worden – im ganzen Jahr 2015 waren es 57. Noch deutlicher hat die Stadt die Zahl anderer „aufenhaltsbeendender Maßnahmen“ erhöht, nämlich von 108 (2015) auf 158 in den ersten sieben Monaten 2016. Nicht enthalten sind in diesen Zahlen die durch das Bundesamt für Flucht und Migration (BAMF) angeordneten Abschiebungen („Überstellungen“) im Rahmen des Dublin-Verfahrens. Die Antwort der Verwaltung im Wortlaut. Bereits im vergangenen Jahr haben uns vermehrt Berichte von brutalen unangekündigten Abschiebungen mitten in der Nacht erreicht. In den Unterkünften sorgen diese nächtlichen Überfälle für große Angst.  Als Linksfraktion halten wir diese weitere Brutalisierung der Bochumer Flüchtlingspolitik für den völlig falschen Weg und fordern ein Ende der unmenschlichen Abschiebepolitik.

 

5. Stillstand in Sachen Städtekoalition gegen Rassismus?

Auf Initiative der Linksfraktion hat der Rat im Februar beschlossen, dass Bochum den Beitritt zur Europäischen Städtekoalition gegen Rassismus (European Coalition of Cities against Racism, ECCAR) beantragt. Seit dem Beschluss ist nun ein halbes Jahr vergangen, aber anscheinend ist nicht viel passiert. Deshalb haben wir zu dieser Ratssitzung schriftlich nachgefragt, ob Oberbürgermeister Thomas Eiskirch den Ratsbeschluss durch Unterzeichnung der Verpflichtungserklärung umgesetzt hat – und wenn nicht, wann das geschieht. Außerdem wollen wir wissen, wann die Verwaltung dem Rat wie damals beschlossen eine Übersicht bisheriger und zusätzlich geplanter Maßnahmen gegen Rassismus vorlegt. Eine Antwort gibt es noch nicht, wir werden informieren. Unsere Anfrage im Wortlaut.

 

6. Stromsperren und Zwangsräumungen: Linksfraktion verlangt Zahlen 

Zu dieser Ratssitzung haben wir auch noch zwei weitere Anfragen eingereicht: Mit der ersten lassen wir klären, in wie vielen Häusern und Wohnungen die Stadtwerke 2015 und 2016 wegen Zahlungsversäumnis den Strom abgedreht haben. Unsere bisherigen Anfragen hatten einen besorgniserregenden Trend sichtbar gemacht: Alleine von 2007 bis zum Jahr 2013 hat sich die Zahl der Stromsperren in Bochum um 175 Prozent erhöht. Demnach gab es 2013 insgesamt 3.796 Sperrungen und 2014 allein bis November 3.669 Sperrungen. In unseren Augen dokumentiert diese Entwicklung die Zuspitzung der sozialen Lage in Bochum. Unsere Anfrage im Wortlaut. Ein weiterer Indikator für die Entwicklung der sozialen Situation in unserer Stadt ist die Zahl der Zwangsräumungen. Auch hier wollen wir aktuelle Zahlen haben. Anfragen unserer Fraktion aus den Vorjahren hatten ergeben, dass jährlich zwischen 148 und 224 Wohnungen zwangsgeräumt worden sind. Im Jahr 2014 waren es 202 Wohnungen. Die Zwangsräumungen treffen praktisch ausschließlich Menschen, die von der Hartz-IV-Verarmungspolitik betroffen sind. Als Linksfraktion treten wir dafür ein, dass Wohnen als soziales Grundrecht in Bochum endlich anerkannt wird. Zwangsräumungen stellen für die Betroffenen eine Katastrophe dar, die zu Wohnungslosigkeit und anderen sozialen Verheerungen führt. Deswegen müssen Zwangsräumungen verhindert werden, und das Recht auf Wohnen muss öffentlich ausreichend gefördert werden. Unsere Anfrage im Wortlaut.

 

7. Solidarität mit Beschäftigten bei ThyssenKrupp

Am 31. August haben rund 9.000 Beschäftigte der ThyssenKrupp-Stahlwerke vor der Hauptverwaltung des Konzerns in Duisburg demonstriert, darunter auch viele Menschen aus den beiden Bochumer Werken. „Der Protest ist richtig und notwendig, es geht um mehr als 2.000 Arbeitsplätze in Bochum“, sagte unser Fraktionsvorsitzender Ralf-D. Lange am Tag der Proteste. „Der Konzern darf nicht wortbrüchig werden. Er muss sich an die bis zum Jahr 2020 ausgesprochene Stellen- und Standortgarantie halten. Nach den Werkschließungen von Nokia, Opel, Outokumpu und jetzt auch noch Johnson Controls wären Einschnitte bei den beiden Bochumer ThyssenKrupp-Stahlwerken eine weitere arbeitsmarktpolitische Katastrophe.“ Hintergrund der Proteste anlässlich der Aufsichtsratssitzung waren die Ankündigungen von Rationalisierungsmaßnahmen sowie Verhandlungen um eine Fusion mit dem indischen Stahlhersteller Tata. „Wir stehen an der Seite der Beschäftigten, sowohl bei Johnson Controls als auch bei ThyssenKrupp“, sagt Ralf-D. Lange weiter. „Der ThyssenKrupp-Vorstand muss damit aufhören, die Beschäftigten national und international gegeneinander auszuspielen. Wir erwarten außerdem, dass die Belegschaft und auch die Bochumer Politik von der Konzernleitung umfassend über die weitergehenden Pläne informiert werden.“ Zu unserer Homepage-Meldung.

 

8. Neues Gesicht in der Bezirksvertretung Mitte

Seit dem 25. August hat die Linksfraktion in der Bezirksvertretung Mitte ein neues Gesicht: Mehtap Yildirim ist in ihr Amt als Bezirksvertreterin eingeführt worden. Die 29-jährige gelernte Bürokauffrau tritt die Nachfolge von Serkan Sen an, der aus persönlichen Gründen den Platz frei gemacht hat. Zusammen mit ihrem Fraktionskollegen Sven-Eric Ratajczak engagiert sich Mehtap Yildirim weiter für soziale Gerechtigkeit und mehr Demokratie im Bezirk Mitte. Herzlich willkommen in der Linksfraktion, Mehtap! Mehr Infos zur Linksfraktion in der Bezirksvertretung Mitte gibt es hier.

 

9. Verkaufsoffene Sonntage: Verwaltung bestätigt Linksfraktion

Das ist zumindest ein Teilerfolg: Die vom Bochumer Rat gegen unsere Stimmen beschlossenen verkaufsoffenen Sonntage am 2. Oktober und 11. Dezember sind rechtswidrig. Mit einer neuen Beschlussvorlage hat sich die Stadtverwaltung in Bezug auf diese beiden Tage unserer Rechtsauffassung angeschlossen: In der neuen Vorlage empfiehlt die Verwaltung jetzt die Streichung der beiden Sonntagsöffnungen. Um trotz Sonntagsruhe öffnen zu dürfen, hatte der Ruhr-Park ein „Parkfest“ angekündigt sowie 25 Verkaufsstände zu einem „Weihnachtsmarkt“ erklärt. Deutlich wird die Verwaltung auch bei dem „Grubenlampenfest“, das vom Hannibal-Center für den 2. Oktober geplant worden war: „Der Anlass der Veranstaltung resultiert ausschließlich aus Gründen, die in der Präsentation des Zentrums zum 40. Jubiläum begründet sind. Eine solche Veranstaltung, die untrennbar mit den geöffneten Verkaufsstellen verbunden ist, entspricht nicht den Anforderungen, die Rechtsprechung an die erforderlichen Anlässe stellt“, schreibt jetzt die Verwaltung.

Am 15. September soll der Rat endgültig über die neue Beschlussvorlage entscheiden. Dazu sagt unser Fraktionsvorsitzender Ralf-D. Lange: „Ich hoffe, dass die anderen Fraktionen nun endlich damit aufhören, blind die Wunschlisten der Einzelhandelsverbände und Werbegemeinschaften abzunicken. Gemeinsam mit den Gewerkschaften fordern wir, dass die Stadt Bochum grundsätzlich auf Sonntagsöffnungen verzichtet.“ Mehr Infos.

 

10. Es ist viel passiert – weitere Meldungen

 

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