Investieren statt kürzen – gegen den Haushalt der sozialen Kälte!

Haushaltsrede von Ralf-D. Lange

Haushaltsrede von Ralf-D. Lange, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE. im Rat, 14.12.2017

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

Die Bochumer Linksfraktion lehnt den städtischen Entwurf für einen Doppelhaushalt 2018/19 und die damit einhergehenden Kürzungen ab. Wir werden außerdem gegen das so genannte „Haushaltssicherungskonzept“ und den Personalplan stimmen.

Die rot-grünen Finanzplanungen sind unsozial und sollen den Rahmen für einen weiteren Ausverkauf der städtischen Infrastruktur darstellen. Insbesondere im Kürzungskonzept wird deutlich, dass Sie leider weiterhin rücksichtslos auf Privatisierung und Outsourcing setzen wollen.

Außerdem wehren wir uns dagegen, dass Sie weiterhin an dem Plan festhalten, einen Haushalt gleich für zwei Jahre zu verabschieden. Ein Doppelhaushalt bedeutet eine weitere Machtverschiebung weg von den gewählten politischen Gremien hin zur Verwaltung. Ich kann verstehen, dass Sie lieber vermeiden wollen, sich jährlich für Ihre unsozialen Haushaltsplanungen und Privatisierungsvorhaben rechtfertigen zu müssen. Angesichts der vielen Risiken und Unsicherheiten unter anderem durch die aktuelle schwarz-gelbe Landespolitik und der völlig offenen Gemengelage auf Bundesebene wäre aber das Gebot der Stunde, in Sachen Kommunalhaushalt auf Sicht zu fahren. Sie haben genau das Gegenteil vor und scheinen über eine besonders große Glaskugel zu verfügen.

Als Linksfraktion werden wir auch den Vorschlag für den Stellenplan 2018/19 ablehnen. Seit 2006 sind im Ergebnis bereits 440 Stellen gekürzt worden, die an allen Ecken und Enden fehlen. Das merken wir an den Wartezeiten in den Bürgerbüros und im Ausländeramt, an den Überlastungsanzeigen und an dem Krankenstand in der Verwaltung, und überall da, wo Sie Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger einschränken, weil das Personal fehlt. Dass jetzt 47 Stellen neu berücksichtigt sind, ändert nichts an dieser Grundtendenz. Schließlich wollen Sie in den kommenden vier Jahren 200 weitere Stellen abbauen. Diese Personalpolitik der fortgesetzten Stellenstreichung halten wir aus mehreren Gründen für untragbar. Die Stadt sollte als öffentliche Institution beim Thema Sicherung von Arbeitsplätzen mit gutem Beispiel voran gehen – sonst können wir die Krodilstränen und Solidaritätserklärungen der städtischen Verantwortlichen nicht ernst nehmen, wenn nach Opel, Nokia und Johnson Control nun zum Beispiel auch ThyssenKrupp die Vernichtung von Arbeitsplätzen in unserer Stadt vorantreibt. Aber auch unabhängig von dieser kommunalen Vorbildfunktion ist der von Ihnen geplante Stellenabbau verantwortungslos gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die trotz Zunahme kommunaler Aufgaben das Ganze auffangen sollen, obwohl sie jetzt schon in vielen Bereichen am oder über dem Limit arbeiten. Immer mehr Arbeit, die von immer weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu immer schlechteren Bedingungen geleistet werden soll – eine solche Personalpolitik lehnen wir ab.

Personalabbau im öffentlichen Dienst betrifft aber nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie ist immer auch eine faktische Leistungskürzung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, da weniger Personal immer auch mit einer Reduzierung der Qualität öffentlicher Leistungen einhergeht. Die Auswirkungen erleben alle Bochumerinnen und Bochumer am eigenen Leib: Da ist der Rückgang der Angebote in den Bürger*innenbüros, zum Beispiel die Tatsache, dass KFZ-Angelegenheiten in den meisten Büros nicht mehr bearbeitet werden. Da ist die Schließung im Haus Kemnade, wo wegen der zu dünnen Personaldecke der Krankheitsausfall einer einzigen Person nicht mehr aufgefangen werden kann. Da sind die vielen Bauanträge, auf deren Bearbeitung die Bochumer Bürgerinnen und Bürger über Gebühr lange warten müssen. Städtische Leistungen werden zusammengestrichen – dafür bleiben im Gegenzug die Spielhallen in Bochum rechtswidrig offen, weil das Ordnungs- und Rechtsamt aufgrund der knappen Personalsituation nicht in der Lage ist, die neue Gesetzeslage auch in Bochum zeitnah umzusetzen.

In diesem Zusammenhang ist es dann schon ein insgesamt erstaunlicher Vorgang, wenn über Jahre hinweg konsequent Stellen zu Lasten der Allgemeinheit abgebaut werden, gleichzeitig aber im Büro des Oberbürgermeisters Stellen für Leute aus dem SPD-Wahlkampfteam von Thomas Eiskirch geschaffen worden sind. Auch gegen diese sozialdemokratische Prioritätensetzung zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wenden wir uns. Vor allem sagen wir als LINKE aber ganz klar: Bochum brauchen nicht weniger, sondern mehr Personal im öffentlichen Dienst. Das wäre im Ergebnis gut für alle Beteiligten. Und mit dieser Meinung stehen wir nicht alleine da. Ich verweise an dieser Stelle sehr gerne auf das „Institut für den öffentlichen Sektor“, das 103 kreisfreie Städte untersucht und festgestellt hat, dass die Städte in NRW trotz immer mehr Aufgaben mit immer weniger Personal auskommen müssen.

Diese falsche Politik wollen Sie mit ihrem unsozialen Kürzungskonzept fortsetzen, das verniedlichend „Haushaltssicherungskonzept“ genannt wird. Um zu erfassen, was das genau bedeutet, müssen wir uns die Details anschauen. Mit dem heutigen Beschluss des Kürzungskonzepts wollen Sie zum Beispiel der Bezirksregierung erneut versprechen, bereits im kommenden Jahr die Ausgaben für die städtische Gebäudereinigung um eine Million Euro zu kürzen. 2019 wollen Sie in diesem Bereich noch eine weitere halbe Million streichen. Erreichen wollen Sie das unter anderem durch die zunehmende Vergabe von Reinigungsaufträgen an Fremdfirmen.

Und als wäre es nicht schon schlimm genug, den städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern private Billigkonkurrenz vor die Nase zu setzen, um den Druck zu erhöhen: Sie wollen neue Reinigungskräfte, welche die Stadt trotzdem noch selbst einstellt, außerdem ebenfalls schlechter bezahlen als bisher! Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Die rot-grüne Koalition plant, im Jahr 2019 eine Viertelmillion Euro durch die Senkung des Lohnniveaus bei denjenigen Beschäftigten einzusparen, die sowieso schon am wenigsten verdienen! Bis 2022 soll sich die jährliche Kürzungssumme durch schlechtere Bezahlung der städtischen Reinigungskräfte noch einmal verdoppeln! Das ist nur ein Beispiel für die soziale Kälte der Kürzungspolitik dieser Koalition. Es ist völlig klar, dass wir dem nicht zustimmen können.

Das Ganze hat ja noch einen weiteren Nachteil für die Bochumer*innen. Weniger Personal rechnet sich schlicht und ergreifend nicht. Mit dem Personalabbau forcieren Sie faktisch den Abbau städtischer Kompetenzen, was im Ergebnis zu Kostensteigerungen führt. Denn dort, wo Kompetenzen durch Personalabbau reduziert werden, muss teurer bei Fremdfirmen eingekauft werden. So kann man einen Haushalt nicht sanieren. Deswegen fordern wir seit Jahren: Die Personalaufwandsbudgetierung muss weg! Die Stadt braucht mehr Personal für öffentlich und soziale Aufgaben und nicht weniger.

Ein Beispiel dafür, wie Sozialkürzungen immer ganz besonders diejenigen treffen, die sowieso schon die meisten Probleme haben, liefert übrigens unsere Anfrage zur Finanzierung des Bochumer Frauenhauses. Dabei wird deutlich, wie unterschiedliche unsoziale Beschlüsse und Politikansätze der rot-grünen Koalition zusammengenommen das Leid und die Probleme von Menschen hier bei uns in Bochum weiter erhöhen.

Die Kapazität des Bochumer Frauenhauses reicht nicht aus – das wird aus der Antwort auf unsere Anfrage deutlich. Im Einzelnen teilt das Frauenhaus mit, dass in diesem Jahr „die Aufnahmekapazität aufgrund des hohen Unterstützungsbedarfes häufig ausgeschöpft war“. Angesichts dessen fordern wir natürlich weiterhin eine bessere Finanzierung des Bochumer Frauenhauses, damit von Gewalt betroffene Frauen nicht wegen Überfüllung abgewiesen werden müssen, und damit die Einrichtung in eine geeignetere und weniger marode Immobilie umziehen kann.

Aber schauen wir uns mal genau an, was die zentralen Faktoren dafür sind, dass die Kapazitäten des Frauenhauses nicht ausreichen. So heißt es in der Antwort unter anderem: „Die Aufenthaltszeiten haben sich in diesem Jahr deutlich erhöht, da unsere Bewohnerinnen große Schwierigkeiten haben, auf dem Wohnungsmarkt günstige, den Mietpreisobergrenzen des Jobcenters entsprechende Wohnungen zu finden.“

Da haben wir es. Von Gewalt betroffene Frauen finden in Bochum keine Wohnungen, die den Mietpreisobergrenzen des Bochumer Jobcenters entsprechen. Ein Grund dafür ist natürlich die verfehlte Wohnungspolitik der rot-grünen Koalition, durch die sich unter anderem die Zahl der Sozialwohnungen in Bochum halbiert hat. Und jetzt haben Sie auch noch ein „Handlungskonzept Wohnen“ durchgesetzt, das keine Maßnahmen gegen Mietpreissteigerungen enthält, und mit dem sich die Stadt weiter vor kommunalem und gemeinnützigen Wohnungsbau drückt, und mit dem die Zahl der Sozialwohnungen bis 2025 trotzdem noch weiter sinken wird.

Diese verheerende Wohnungspolitik, bei der öffentliche Fördergelder private Rendite finanzieren statt günstigen öffentlichen Wohnraum, ist also ein Grund dafür, dass zum Beispiel die von Gewalt betroffenen Frauen aus dem Frauenhaus keine Wohnungen finden. Ein anderer Grund sind die viel zu niedrigen Mietpreisobergrenzen bei den Kosten der Unterkunft, die das Bochumer Jobcenter übernimmt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD, CDU und Grünen, Sie behaupten immer: Hartz IV ist Bundespolitik, hört doch auf damit, ihr nervigen LINKEN, daran können wir hier im Rat nichts ändern. Falsch!

Die Mietpreisobergrenzen für die Kosten der Unterkunft werden hier lokal vor Ort festgelegt. Dafür tragen Sie ganz direkt eine Verantwortung. Und so sieht die aktuelle Politik in Bochum nämlich aus: Obwohl die Grenzen jetzt schon zu niedrig sind, damit zum Beispiel von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder, aber genauso auch viele andere in Bochum eine angemessene Wohnung finden können, versucht die Bochumer Verwaltung aktuell, hier weiter zu kürzen. Die Mietpreisobergrenzen sollen bei allen Haushaltsgrößen abgesehen von Single-Haushalten weiter zusammengestrichen werden! Als LINKE sagen wir jedenfalls: Frau Sozialdezernentin Anger, die Verwaltung muss diesen Kürzungsplan unbedingt zurücknehmen!

Insgesamt bestehen wir darauf: Der Bochumer Rat ist in der Pflicht, einen Haushalt zu verabschieden, der Rahmenbedingungen dafür schafft, dass öffentliches Eigentum sowie öffentliche und soziale Dienstleistungen erhalten werden. Was Sie hier heute beschließen wollen, ist sozial unausgewogen und in einigen Bereichen sogar wirklich gruselig. Dazu sagen wir klar und deutlich Nein. Als LINKE werden wir stattdessen weiter all die Gewerkschaften, Verbände und Initiativen unterstützen, die hier bei uns in Bochum für einen sozialen Politikwechsel eintreten.