Newsletter März/April 2022

Liebe Leserin, lieber Leser,

eine Sondersitzung des Rates darf natürlich nicht ohne Sonder-Newsletter der Bochumer Linksfraktion stattfinden. In der heutigen Ausgabe geht es um den RadEntscheid. Zwei Worte werden uns da ganz besonders begleiten: Zulässigkeit und Kompromiss. Und natürlich geht es auch um eine ganz große Koalition (SPD, Grüne, CDU und FDP), die es noch immer nicht geschafft hat, den Fuß beim Ausbau der Radwege von der Bremse zu nehmen.

Daneben geht es aber auch um konkrete Vorschläge zur Unterstützung der vielen Ehrenamtlichen am Infopoint im Hauptbahnhof, die jeden Tag versuchen, dass die Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine zu uns fliehen, bestmöglich in Bochum ankommen können. Weitere Themen sind Daten zum Wohnungsmarkt, die wir abgefragt haben, Leistungskürzungen beim Bochumer Jobcenter aufgrund von angeforderten Betriebskostenabrechnungen, die die Vermieter noch gar nicht erstellen mussten, sowie die endgültig beschlossenen Freibadschließungen in Höntrop und Langendreer.

Wir wünschen viel Freude beim Lesen und ein schönes Wochenende trotz des schmuddeligen Wetters.

Die Themen im Einzelnen:

1. RadEntscheid ernst nehmen – Vollgas beim Radwegeausbau
2. Koalition verhindert bessere Unterstützung der Ehrenamtlichen von Bochum solidarisch
3. Aus der Freibäder in Langendreer und Höntrop
4. Aufklärung über Leistungskürzungen beim Jobcenter bei Betriebskostenabrechnungen
5. Neues zum Bochumer Wohnungsmarkt
6. Gedenken: Niemals vergessen!

1. RadEntscheid ernst nehmen – Vollgas beim Radwegeausbau

In einer Sondersitzung hat der Rat über die Zulässigkeit des RadEntscheides entschieden, nachdem zuvor ein Kompromiss zwischen SPD und RadEntscheid (nach eigentlich schon fixer Einigung an der SPD-Fraktion) gescheitert ist. Die Verwaltung hat hierzu ein Gutachten vorgelegt, bei dem der Gutachter (für ein Honorar von 5.000 Euro zzgl. Mehrwertsteuer und ohne vorheriges Auswahlverfahren, wie unsere Anfrage ergab) fast deckungsgleich wie zuvor in Bielefeld die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens begründet. Wir haben gemeinsam mit dem RadEntscheid große Zweifel daran und haben gegen die Unzulässigkeit gestimmt. Unabhängig von dieser Frage ist der Radwegeausbau aber ohnehin eine politische Frage. Hier können sich die anderen Fraktionen nicht wegducken.

Wie wenig sie die 17.000 Unterschriften für den RadEntscheid ernst nehmen, haben SPD, Grüne, CDU und FDP in ihrem Dringlichkeitsantrag, der natürlich beschlossen wurde, gezeigt. Der Beschluss hat mit dem RadEntscheid nicht mehr viel zu tun. Kein Wunder also, dass auch die CDU diesen Beschluss mittragen konnte, nachdem sie den Antrag noch verschlechtert hatte. Dass SPD und Grüne gegen unseren gemeinsamen Antrag mit „Partei und Stadtgestalern“, der genau diesen eigentlich zwischen SPD und RadEntscheid ausgehandelten Kompromiss darstellt, gestimmt haben, sagt eigentlich alles.

Unser Fraktionsvorsitzender Horst Hohmeier hat es auf den Punkt gebracht: „Wir bedauern, dass die Rathauskoalition aus SPD und Grünen gemeinsam mit CDU und FDP einen Dringlichkeitsantrag vorlegt, der mit dem RadEntscheid nicht mehr viel zu tun hat. Dass sich die ganz große Koalition im Rat nur noch auf die Planung bzw. den Ausbau von jährlich 3,5 Straßenkilometern im besonders wichtigen Radhauptroutennetz einigen konnte, zeigt, wie wenig die 17.000 Unterschriften für den RadEntscheid ernst genommen werden. Statt endlich klare Ziele zu formulieren und beim Ausbau zumindest einen Gang hochzuschalten, wird weiter gebremst. Das können wir als Linksfraktion nicht mittragen.“

Wir wollen dagegen klare Ausbauziele beschließen, die das Anliegen des RadEntscheids aufgreifen und eine echte Verbesserung darstellen. So fordern wir u.a. im Radhauptroutennetz einen jährlichen Ausbau von mindestens fünf Straßenkilometern und im Nebenroutennetz von mindestens acht Straßenkilometern. Es ist uns unverständlich, warum das für SPD und Grüne nicht möglich war und sie lieber weiter auf der Bremse stehen. „Bochum sollte beim Radausbau endlich eine mutige Stadt werden. Dass die Menschen in Bochum dafür längst bereit sind, zeigen die 17.000 Unterschriften für den RadEntscheid“, erklärte Horst Hohmeier für uns.

Wir bleiben auch in Zukunft dran und werden uns für echte Verbesserungen bei der Radinfrastruktur in Bochum einsetzen. Sichere Radwege, die alle ans Ziel bringen, bleiben das richtige Ziel. Ob wir diesem Ziel näher kommen, werden wir kontrollieren und immer wieder Druck machen. Wir halten Dich auf dem Laufenden.

2. Koalition verhindert bessere Unterstützung der Ehrenamtlichen von Bochum solidarisch

Neues aus dem Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales: In einem ausführlichen Änderungsantrag haben wir eine stärkere und passgenaue Unterstützung der vielen Ehrenamtlichen von „Bochum solidarisch“ am Infopoint im Hauptbahnhof beantragt. Dort setzen sie sich jeden Tag für ein bestmögliches Ankommen der Geflüchteten aus der Ukraine in Bochum ein. Die Mehrheit des Ausschusses hat die Vorschläge leider abgelehnt.

Bürgermeisterin Schäfer (SPD) hat zudem in einem Redebeitrag deutlich gemacht, wie wenig sie die Ehrenamtlichen wertschätzt. Sie hat in einem unseren sachkundigen Einwohner, Michael Niggemann, harsch und arrogant abgekanzelt. Offenbar hatte er in seinem Beitrag ins Schwarze getroffen und die Verwaltung sowie die Koalition aus SPD und Grünen zurecht kritisiert.

Gültaze Aksevi, unsere Fraktionsvorsitzende im Rat, erklärt dazu: „Wir können nicht nachvollziehen, warum sich die Ausschussmehrheit aus SPD und Grünen gegen eine passgenaue Unterstützung der Ehrenamtlichen von ‚Bochum solidarisch‘ sperrt. Diese wäre dringend notwendig. Die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer sorgen jeden Tag dafür, dass das Ankommen der Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine zu uns fliehen, bestmöglich funktioniert. Wir begrüßen die heute beschlossene Vorlage der Verwaltung und sehen darin viele Verbesserungen für die ukrainischen Geflüchteten. Die Wünsche der Ehrenamtlichen werden darin aber nicht vollständig erfüllt. Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales hätte diesen heute auf unseren Antrag hin gerecht werden können.“

Die 30 sehr konkreten und wichtigen Forderungen der Ehrenamtlichen, die wir im Ausschuss beantragt haben, findest Du hier.

3. Aus der Freibäder in Langendreer und Höntrop

SPD und Grüne haben das Aus der Freibäder in Langendreer und in Höntrop nun durchgesetzt. Wir bedauern, dass der Aufsichtsrat der Holding für Versorgung und Verkehr gegen unseren und den Willen vieler Menschen in ganz Bochum die beiden Freibäder schließt. „SPD und Grüne zeigen mit den Freibadschließungen in Langendreer und Höntrop einmal mehr, dass ihnen die Interessen tausender Menschen im Zweifel egal sind“, erklärt Horst Hohmeier. „Bis zuletzt hatten wir die Hoffnung, dass der Protest gegen die Freibadschließungen zu einem Umdenken bei Oberbürgermeister Eiskirch und seiner Koalition führt und der eigene Fehler korrigiert wird. Mit dem Beschluss im Aufsichtsrat der HVV gehen Bochum zwei wichtige Freibadstandorte verloren, die vielen Menschen sehr am Herzen gelegen haben. Das ‚Urban Blue‘ in Langendreer, für das dann noch Eintritt verlangt wird, kann ein Freibad nicht im Ansatz ersetzen.“

Wir unterstützen den Kampf für den Erhalt der Freibäder in Langendreer und Höntrop weiter. Wir hoffen, dass die Menschen weiter zahlreich gegen diesen falschen Beschluss protestieren. Derzeit wird über ein Bürgerbegehren für das Hallenfreibad in Höntrop diskutiert.

4. Aufklärung über Leistungskürzungen beim Jobcenter bei Betriebskostenabrechnungen

Das Bochumer Jobcenter hat Berichten zufolge Leistungskürzungen aufgrund fehlender Betriebskostenabrechnungen ausgesprochen. Ein Vermieter aus Wattenscheid hat über mehrere Fälle berichtet und das Jobcenter scharf kritisiert. Dass es zu solchen Minderungen des leistungsrechtlichen Bedarfs gekommen ist, kann das Jobcenter auf Anfrage weder bestätigen, noch ausschließen. Zur Kürzung dürfte es bei Befolgung der selbst gesteckten Verfahrensabläufe eigentlich nicht kommen. Das ist das Ergebnis unsere Anfrage.

Wir finden, dass Sozialdezernentin Britta Anger zeitnah für Aufklärung sorgen muss. Ist es es beim Jobcenter zu unrechtmäßigen Leistungskürzungen aufgrund von angeblich fehlenden Betriebskostenabrechnungen gekommen? Wenn eine Prüfung das bestätigt, müssen die Kürzungen sofort zurückgenommen werden. Es muss sichergestellt werden, dass die selbst gesteckten Verfahrensabläufe des Jobcenters bei der Vorlage von Betriebskostenabrechnungen jederzeit eingehalten werden. Dann kann es auch zu keinen Fehlern kommen.

So orientiert sich das Jobcenter bei der Vorlage der aktuellen Jahresabrechnung der Betriebskosten an dem Zeitpunkt der Vorjahre, da viele Vermieter in „festen und wiederkehrenden Rhythmen“ abrechnen. Das Jobcenter gibt in der Antwort auf unsere Anfrage zudem an, dass es „regelmäßig“ die Bitte gibt, das Fehlen der Betriebskostenabrechnungen bei vorheriger Aufforderung zur Vorlage anzuzeigen.

Unsere Fraktionsvorsitzende Gültaze Aksevi bringt es auf den Punkt: „Es kann nicht sein, dass die Leistungsbeziehenden aktiv auf eine viel zu früh erfolgte Bitte um Vorlage von Betriebskostenabrechnungen reagieren müssen. Dass in Wattenscheid Berichten zufolge sogar Briefe des Vermieters nicht ausgereicht haben sollen, um das Fehlen der Betriebskostenabrechnungen zu belegen, gilt es aufzuarbeiten. Es ist zu überprüfen, ob nicht besser über die Notwendigkeit eines Einspruchs gegen die verfrühte Vorlage von Betriebskostenabrechnungen informiert werden muss und dieser generell zu erleichtern ist.“

5. Neues zum Bochumer Wohnungsmarkt

Eine bezahlbare Wohnung zu finden wird auch in Bochum immer schwieriger. Bochum hinkt beim sozialen Wohnungsbau massiv hinterher. Immer mehr Wohnungen fallen jährlich aus der Sozialbindung, neue kommen nur unzureichend dazu. Im Ausschuss für Planung und Grundstücke haben wir deshalb in einer Anfrage wichtige Wohnungsmarkt-Daten abgefragt. Es wird deutlich, dass Bochum endlich einen Zahn zulegen und für mehr Wohnungen mit Mietpreisbindung sorgen muss.

Die Verwaltung hat jetzt zumindest die planmäßigen Abgänge der Wohneinheiten mit Mietpreisbindung angegeben. Dass zum Stichtag 31.12.2022 ein außerplanmäßiger Abgang von 353 Wohneinheiten erfolgt, lässt aber auf eine deutlich höhere Minderung der Wohnungen mit Sozialbindung in Bochum schließen. In der kommenden Sitzung des Ausschusses für Planung und Grundstücke fragen wir deshalb noch einmal nach. Wir berichten.

Dass die Bemühungen in Bochum im Beriech des sozialen Wohnungsbaus nicht ausreichen, zeigen die Baugenehmigungen für öffentlich geförderte Wohnungen mit Mietpreisbindung. Laut Antwort der Verwaltung wurden „im Jahre 2021 (…) 148 WE im Mietwohnungsbau und 92 WE im Bereich der Modernisierung bewilligt. Die Gesamtförderzahl beläuft sich demnach auf 240 Wohnungen.“ Das ist deutlich zu wenig.

Interessant ist zudem, dass die Verwaltung nicht preisgeben möchte, wie viele Beschäftigte überhaupt mit dem Thema Wohnen befasst sind. Die schräge Antwort lässt sich fast so lesen, dass eigentlich vom Oberbürgermeister an alle städtischen Beschäftigen gleichermaßen im Bereich Wohnen arbeiten. Wir geben uns mit dieser nichtssagenden Antwort nicht zufrieden und weisen sie zurück. Eine Verwaltung, die nicht weiß, wer welche Aufgaben hat, kann nicht effektiv arbeiten. Wir hoffen, die erneute Anfrage bringt Licht ins Dunkel.

6. Gedenken: Niemals vergessen!

Niemals vergessen! Zusammen mit der VVN-BdA Bochum und vielen anderen haben wir auch in diesem Jahr in Bochum-Werne an die ermordeten Kämpfer gegen den Kapp-Putsch 1920 und an den Widerstand gegen den Faschismus erinnert. Am Denkmal auf dem Werner Friedhof haben wir einen gemeinsamen Kranz der Linksfraktion, des Bochumer Kreisverbandes und unserer Bundestagsabgebordneten Sevim Dagdelen niedergelegt.

Worum geht es beim Kapp-Putsch? Keine zwei Jahre, nachdem meuternde Matrosen und Soldaten den ersten Weltkrieg beendet und den Kaiser ins Exil gejagt hatten, putschten Teile der Reichswehr gegen die SPD-geführte Reichsregierung. Letzte Kaisertreue, Republikfeinde und erste Nazis wollten die Republik beseitigen. Ein Generalstreik war die Antwort. Mitglieder der Arbeiterparteien SPD, USPD und KPD sowie der Gewerkschaften griffen zu den Waffen, die sie aus dem 1. Weltkrieg mitgebracht hatten. Doch kaum traten die Anführer des Putsches ab, ließ der SPD-Reichswehrminister Noske das rote Ruhrgebiet stürmen. Mit denselben Truppen, die zuvor geputscht hatten. Und die nahmen im Ruhrgebiet Rache. 13 Jahre später waren Hitler und seine Nazis an der Macht. Seit 1921 wird jeweils am letzten März-Sonntag in Bochum-Werne an die Ereignisse erinnert und es werden Blumen niedergelegt.