Newsletter Februar 2018: Große Verschlechterungen, kleine Erfolge

Liebe Leser*innen,

Sozialkürzungen, Privatisierungen und ein wohnungspolitischer Wortbruch: Zu Beginn des neuen Jahres macht die rot-grüne Rathauskoalition leider erneut deutlich, was ihre Kommunalpolitik für Bochum bedeutet. Aber gleichzeitig wird in diesen Tagen auch deutlich, dass Engagement gegen die sozialen Verschärfungen nicht nur wichtig, sondern auch wirkungsvoll ist. In diesem Newsletter berichten wir daher nicht nur von großen Verschlechterungen, sondern auch von kleinen Erfolgen – und natürlich von der Ratssitzung am Mittwoch, den 7. Februar.

Die Themen im Einzelnen:

1. Keine Sozialwohnungen im Wielandquartier: Rot-Grün bricht Zusagen
2. Trotz Protesten: Hartz-IV-Kürzungen bei den Mieten kommen
3. Dritter Versuch: Neuer Anlauf zur Privatisierung der Wochenmärkte
4. Verkaufsoffene Sonntage: Erstmal zwei Sondergenehmigungen
5. Linksfraktion will Steag-Studie – Rat schiebt Entscheidung auf die lange Bank
6. Erfolg: Bezirksvertretung fordert Kleiderkammer für Langendreer
7. Vor dem Rathaus: Mahnwache gegen den Krieg in Afrin

 

1. Keine Sozialwohnungen im Wielandquartier: Rot-Grün bricht Zusagen

Eine Essener Baufirma darf rund 150 exquisite Wohnungen und „Town Houses“ auf dem ehemaligen RWE-Gelände an der Wielandstraße bauen – ohne eine einzige Sozialwohnung einzuplanen. Das hat der Bochumer Rat gegen die Stimmen der Linksfraktion beschlossen. Damit bricht die rot-grüne Rathauskoalition ihre Zusage und ihren Beschluss einer mindestens 20-prozentigen Sozialwohnungsquote bei allen größeren Bauprojekten. „Offensichtlich geht es darum, dem Investor sein Luxus-Projekt im Stadtparkviertel ohne störenden sozialen Wohnungsbau zu ermöglichen“, kritisierte unser Ratsmitglied Horst Hohmeier. Er verwies darauf, dass es seit dem Quotenbeschluss vor eineinhalb Jahren viele Änderungen an dem Entwurf des Bebauungsplans gegeben hat: „Die Stadt hat das Planungsgebiet vergrößert und die Verfahrensart umgestellt, und der Bauträger hat auch gewechselt. Die im Februar 2017 beschlossene Auslegung des Plans fand nicht statt, weil der Baukonzern noch Änderungswünsche hatte. Es ist bezeichnend, dass vom Bauträger gewünschte Änderungen natürlich eingearbeitet worden sind, der Ratsbeschluss aber nicht.“ Die Rede im Wortlaut. Mit dem Beschluss treiben die SPD und die Grünen das Mietpreisniveau in Bochum weiter in die Höhe. Mehr Infos. Dabei ist schon die ursprünglich von Rot-Grün beschlossene Sozialwohnungsquote viel zu gering: Denn auch, wenn die Parteien ihre Quote nicht noch zusätzlich aushebeln würden, gäbe es in sieben Jahren noch weniger Sozialwohnungen als im Moment – weil auch dann mehr Wohnungen aus der Sozialbindung fallen als neue entstehen. Das jetzige Verhalten der Rathauskoaliton macht allerdings alles noch schlimmer. Als Linksfraktion werden wir weiterhin kommunalen und gemeinnützigen Wohnungsbau statt Profite für Private einfordern, so wie wir das bereits in der Vergangenheit beantragt haben.

 

2. Trotz Protesten: Hartz-IV-Kürzungen bei den Mieten kommen

Unter heftiger Kritik unserer Fraktion hat die Mehrheit im Sozialausschuss die Senkung der Mietobergrenzen für Empfänger*innen von ALG II und Sozialhilfe durchgewunken. Bereits im Vorfeld hatten wir vor den sozialen Folgen gewarnt. Im Ausschuss stimmten die SPD, die CDU und die Grünen trotzdem gemeinsam gegen einen Antrag, das Kürzungskonzept nicht umzusetzen – und auch gegen unseren Antrag, dass die Verwaltung zumindest auf den zentralen Berechnungstrick verzichten soll, der zu den Kürzungen führt. Unser Änderungsantrag im Wortlaut.

Die öffentliche Diskussion im Vorfeld hat allerdings dafür gesorgt, dass sich die rot-grüne Koalition gezwungen sah, etwas Druck aus dem Kessel zu nehmen. Zum einen konnte eine Bestandsschutz-Regelung erreicht werden, die zumindest kurzfristig Kostensenkungsverfahren für die Betroffenen verhindert. Unsere Fraktionsvorsitzende Sevim Sarialtun wies jedoch darauf hin, dass trotzdem mehr als 10.000 Haushalte spätestens bei ihrem nächsten Umzug von den Kürzungen betroffen sein werden – und alle Familien, die neu ins Hartz-IV-System rutschen, sowieso. Auch die Absenkung der angeblich angemessenen Grenzen für die Betriebskosten wurde nur ein wenig abgeschwächt. Dazu Sevim Sarialtun: „Der zentrale Trick in den Berechnungen ist ja, dass nicht mehr die vollständigen Betriebskosten in Höhe des Betriebskostenspiegels NRW einbezogen werden sollen, sondern nur noch das, was der Bochumer Mietspiegel als Vorauszahlungen erfasst. Liebe Kolleg*innen von SPD und Grünen: Einerseits erkennen, dass die Berechnungsgrundlage falsch ist, aber trotzdem an ihr festhalten, das geht nicht.“ Die Rede im Wortlaut. Auch mit den geringfügigen Korrekturen bleiben die Kürzungen der übernommenen Wohnkosten unsozial. Gleichzeitig müssen wir feststellen: Wenn es keinen Widerstand gegen diese rot-schwarz-grüne Politik gegeben hätte, hätte es wahrscheinlich noch nicht mal die Abschwächungen der Sozialkürzungen gegeben. Jetzt müssen Betroffene gegebenenfalls vor Gericht klagen, sobald das Jobcenter die Übernahme der Wohnkosten verweigert oder kürzt. Die rechtlichen Fragezeichen sind jedenfalls keineswegs ausgeräumt. Es kann also sein, dass die Gerichte unseren Einwänden in ein paar Jahren zustimmen. Trotzdem ist es natürlich eine Zumutung, dass Hartz-IV-Empfänger*innen ihr Recht erst vor Gericht durchsetzen müssen. Denn zumindest bis das entschieden ist, werden sie von den Kürzungen betroffen sein.

 

3. Dritter Versuch: Neuer Anlauf zur Privatisierung der Wochenmärkte

Bereits zwei Mal ist der Versuch gescheitert, die von der Stadt Bochum betriebenen Wochenmärkte zu privatisieren. Beim ersten Mal gab es Verfahrensfehler, beim zweiten Mal fand sich kein Betreiber, der bereit war, die Märkte zu den Ausschreibungsbedingungen zu übernehmen. Statt das zum Anlass zu nehmen, die Bochumer Privatisierungs- und Outsourcing-Politik grundsätzlich zu überdenken, starten SPD und Grüne jetzt einen dritten Versuch. Gegen unsere Stimmen hat die Koalition im Rat eine neue Ausschreibung durchgesetzt. Dazu sagte unser Fraktionsvorsitzender Ralf-D. Lange: „Wir lehnen die Privatisierung der Wochenmärkte ab, denn sie sind ein öffentliches Kulturgut. Außerdem würde damit der Abbau von städtischen Arbeitsplätzen einhergehen. Wir bleiben dabei, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung durchaus das Wissen und die Fähigkeiten haben, die Wochenmärkte in Bochum zukunftsfähig und interessant zu gestalten.“ Neben diesen bekannten Argumenten gegen das Outsourcing liefere die gescheiterte Ausschreibung noch neue, betonte Ralf-D. Lange: „Es ist doch ein bemerkenswerter Vorgang: Wie den Medien zu entnehmen ist, weigert sich eine städtische Beteiligung, nämlich Bochum Marketing, den Betrieb der Wochenmärkte zu übernehmen, und zwar unter anderem auch deswegen, weil sie nicht ein städtisches Tochterunternehmen – den USB – mit der Reinigung und Entsorgung beauftragen will, wie es der eindeutige Wille des Rates ist. Das zeigt doch wirklich die ganze Absurdität dieser Politik und den deutlichen Verlust von kommunalen Steuerungsmöglichkeiten: Eine städtische Beteiligung will nicht mit einem städtischen Tochterunternehmen zusammenarbeiten, obwohl die Ratsmehrheit das fordert. Und was schlagen Sie dann vor: Lasst uns doch trotzdem eine weitere städtische Aufgabe outsourcen, damit wir noch weniger demokratische Einflussmöglichkeiten haben.“ Die Rede im Wortlaut. Als Linksfraktion haben wir gefordert, den ganzen Outsourcing-Plan abzublasen und den städtischen Mitarbeiter*innen Planungssicherheit sowie den Auftrag zu geben, die Bochumer Wochenmärkte zukunftsfähig zu gestalten.

 

4. Verkaufsoffene Sonntage: Erstmal zwei Sondergenehmigungen

Gegen unsere Stimmen hat der Rat zwei verkaufsoffene Sonntage genehmigt, und zwar am 6. Mai in Bochum-Linden und am 10. Juni in Bochum-Langendreer. Gleichzeitig wurde die Entscheidung über alle Sonntagsöffnungen im zweiten Halbjahr vertagt, bis die Deregulierungspläne der schwarz-gelben Landesregierung greifen. Auch für eine mögliche Sonntagsöffnung in Wattenscheid Anfang Juni soll es noch ein Hintertürchen geben. In der Debatte machte der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Reinirkens keinen Hehl daraus, dass er „gerne“ weitere Sonntagsöffnungen erlauben wolle, wenn die schwarz-gelbe Landesregierung die rot-grünen Gesetze geändert habe.

Für unsere Fraktion kritisierte Ralf-D. Lange scharf, dass die Bochumer SPD und Grünen sogar entgegen der Linie ihrer Landtagsfraktionen auf die Deregulierung hoffen. Als „absurd“ bezeichnete er den Antrag der CDU, sogar noch einen dritten verkaufsoffenen Sonntag in Wattenscheid zu beschließen, obwohl die Verantwortlichen trotz wiederholter Nachfrage noch nicht einmal das vorgeschriebene Veranstaltungskonzept vorgelegt haben. „Aber auch das ganze Elend der SPD zeigt sich an diesem Punkt“, sagte Ralf-D. Lange. Er verwies auf eine Stellungnahme der SPD, welche die Wattenscheider Werbegemeinschaft und die Geschäftsleute aufforderte, sich ganz schnell mit dem Einzelhandelsverband und der IHK zusammenzusetzen, um die Sonntagsöffnung zu ermöglichen. „Na liebe SPD, fällt Ihnen auf, wen Sie da vergessen haben“, fragte er. „Ja genau, die Betroffenen, die Kolleginnen und Kollegen, auf deren Rücken die Sonntagsöffnung ausgetragen werden soll, sowie deren Interessenvertretung, nämlich die Gewerkschaften.“ Die Rede im Wortlaut. Als Linksfraktion stehen wir weiterhin an der Seite der Gewerkschaften und fordern, ganz auf Sondergenehmigungen für verkaufsoffene Sonntage zu verzichten. Mehr Infos.

 

5. Linksfraktion will Steag-Studie – Rat schiebt Entscheidung auf die lange Bank

Insgesamt 1,2 Milliarden Euro haben die Ruhrgebietskommunen bereits in den Kraftwerkbetreiber Steag investiert. Seitdem gehört der umstrittene Kohle-Dinosaurier den Städten Dortmund, Duisburg, Bochum, Essen, Dinslaken und Oberhausen. Im Geschäftsjahr 2016 hat der Konzern insgesamt 220 Millionen Euro Verlust eingefahren, jetzt verlangt er nach einer Kapitalerhöhung – also nach neuem Geld. Als Linksfraktion hatten wir 2014 bereits gegen den Kauf weiterer Steag-Anteile gestimmt, denn die Kommunen haben haben praktisch keinen Einfluss auf die Geschäftspolitik. Angesichts der neuen Forderungen haben wir einen Dringlichkeitsantrag in den Rat eingebracht: Wir wollen, dass der Rat eine Studie in Auftrag gibt, die darlegt, ob bzw. wie der Konzern überhaupt von den beteiligten Kommunen wirkungsvoll gesteuert und kontrolliert werden kann. Gleichzeitig sollen Ausstiegs-Szenarien für die Stadt Bochum entwickelt werden. Der Antrag im Wortlaut. Trotz der aktuellen Entwicklungen sah die Ratsmehrheit das Thema als „nicht dringlich“ an – unser Antrag wird daher erst auf der kommenden Ratssitzung beraten. Das hat einen mehrmonatigen Stillstand zur Folge. Denn wegen der von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch vorgeschlagenen und von Rot-Grün durchgesetzten Reduzierung der Ratssitzungen auf nur noch sechs pro Jahr wird der Rat erst wieder Ende April zusammentreten.

Als Linksfraktion halten wir die Debatte über einen Steag-Ausstieg für sehr dringlich. Die Verluste gefährden den städtischen Haushalt. Statt eines sozial-ökologischen Umbaus hier vor Ort hat der Konzern sein Auslandsgeschäft verstärkt, etwa durch ein Joint Venture mit dem diktatorisch regierten Emirat Katar. Die zum Konzern gehörenden Minenbetriebe und Kohlegruben in Paipa und Mindanao stehen wegen der Missachtung von Gewerkschafts- und Menschenrechten, Kinderarbeit und der Ausbeutung der indigenen Bevölkerung in der Kritik. Am türkischen Kraftwerk Iskenderum ist außerdem der Pensionsfonds der türkischen Armee beteiligt, der aktuell die verbrecherische Politik von Erdogan und der AKP gegen die kurdische Bevölkerung unterstützt. Außerdem will Steag bis zum Jahr 2020 rund 1.000 seiner gut 6.100 Arbeitsplätze wegkürzen.

 

6. Erfolg: Bezirksvertretung fordert Kleiderkammer für Langendreer

Im Stadtteil Langendreer muss es weiterhin eine Kleiderkammer geben – diese Forderung hat die Bezirksvertretung Ost auf Initiative der LINKEN beschlossen. Der Antrag wurde von unseren Bezirksvertreter*innen Sevim Kaplan und Benny Krutschinna eingebracht, SPD und Grüne schlossen sich nach einer kleinen Änderung an. Jetzt fordert die Bezirksvertretung die Bochumer Verwaltung offiziell auf, sich aktiv darum zu kümmern, das Angebot einer Kleiderkammer im Bochumer Osten zu erhalten. Sie soll vor allem auch klären, wie Miet- und Nebenkosten für einen neuen Standort übernommen werden können. Gleichzeitig verpflichtete sich die Bezirksvertretung mit dem Beschluss selbst, sich mit einem angemessenen Beitrag an der Ausstattung der neuen Kleiderkammer beteiligen.

Wir freuen uns, dass die Initiative unserer Bezirksvertreter*innen erfolgreich war und bleiben weiter dran. Notwendig ist der Beschluss geworden, da die bisherige von Ehrenamtlichen betriebene Kleiderkammer Ende April schließen muss. Sie ist bisher im Pfarrhaus St. Marien untergebracht, das vor dem Abriss steht. Zum letzten Mal kann die Kleiderkammer an diesem Standort am 28. April öffnen. Obwohl die Aktiven betonen, dass es weiterhin Bedarf gibt, ist bisher noch keine Nachfolgelösung gefunden.

 

7. Vor dem Rathaus: Mahnwache gegen den Krieg in Afrin

„Deutschland finanziert, Erdogan bombadiert“: Diese Anklage ist aktuell vor dem Bochumer Rathaus zu lesen. Noch bis Samstag Abend wollen syrisch-kurdischer Geflüchtete dort eine Mahwache gegen den Krieg in Afrin abhalten. Damit wollen sie über die humanitäre Situation in Afrin informieren und gegen den Angriff der Türkei protestieren. Fotos. Als Linksfraktion unterstützen wir die selbstorganisierte Aktion und haben uns mit den Aktiven solidarisiert. Wir fordern außerdem die Ordnungsbehörden auf, der Mahnwache keine bürokratischen Hürden in den Weg zu legen und die Mahnwache über den gesamten Zeitraum zu ermöglichen. Alle Bochumer*innen rufen wir auf, sich ebenfalls mit dem Anliegen der Mahnwache zu solidarisieren.

 

Nichts mehr verpassen: Jetzt den E-Mail-Newsletter der Bochumer Linksfraktion abonnieren!