Newsletter Juni/Juli 2020

Liebe Leser*innen,

na also, geht doch: Zum zweiten Mal hat der Bochumer Rat unter den besonderen Corona-Bedingungen getagt. Dieses Mal allerdings wie von uns gefordert im großen Saal des RuhrCongress unter großzügiger Einhaltung aller Abstands- und Hygieneregeln. Warum das bei der Sitzung davor nicht möglich gewesen sein sollte, hat bis heute noch niemand der Verantwortlichen erklärt. In diesen Newsletter berichten wir von der Ratssitzung am 25. Juni – und davon, was sonst noch so in den Gremien der Stadt passiert ist. Es geht unter anderem um umstrittene Entscheidungen während der Corona-Krise, um fehlende Prioritäten für Antirassismus, um die Verkleinerung eines wichtigen Gremiums, und um verschiedene Facetten von Wohnungsnot in unserer Stadt.

Die Themen im Einzelnen:

1. WIR-Kampagne: Rat unterstützt fragwürdigen Dringlichkeitsentscheid
2. BochumFonds: Bürgerschaftliche Projekte unter Marketing-Vorbehalt?
3. Koalition setzt Verkleinerung des Integrationsgremiums um
4. Wohnungskrise I: Erneut VBW-Millionenrendite statt günstiger Miete
5. Wohnungskrise II: Stadt scheitert krachend beim geförderten Wohnungsbau
6. Wohnungskrise III: 447 Geflüchtete unnötig in Sammelunterkünften
7. Corona & Notunterkünfte: Stadt muss handeln!
8. Bochum verschleppt Antirassimus-Bericht: Keine Personalstunden eingeplant
9. Wiedereröffnung der Bochumer Schulen: Verwaltung antwortet
10. Erfolg: Mehr Geld für Madonna e.V.
11. Wattenscheid braucht eine neue Gesamtschule
12. Für demokratische Sitzungen auch in der Krise

1. WIR-Kampagne: Rat unterstützt fragwürdigen Dringlichkeitsentscheid

Es war die Abstimmung über einen Beschluss, der schon längst gefallen ist – und eine Überraschung blieb erwartungsgemäß aus: Gegen die Stimmen der Linksfraktion hat der Rat nachträglich die Entscheidung von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und des CDU-Fraktionsvorsitzenden Christian Haardt genehmigt, 1,1 Millionen Euro städtischer Gelder für den „10-Punkte-Plan zur Unterstützung von Handel und Gastronomie“ freizugeben. Ausgegeben wird das Geld unter anderem für die Unterstützung einer Onlinehandels-Plattform. Eine halbe Million Euro fließen alleine in den Plan, durch kostenloses Parken mehr Autoverkehr in die Innenstadt zu locken. Außerdem wurde die Stadtmarketing-Kampagne „Wo das WIR noch zählt“ finanziert, die unter anderem mit Großplakaten des Oberbürgermeisters wirbt, der in drei Monaten wiedergewählt werden will. Mehr Infos zum 10-Punkte-Plan.

Als Linksfraktion haben wir bereits im Vorfeld unsere großen Bedenken angemeldet – sowohl aus inhaltlichen Gründen, als auch, weil wir für falsch halten, wie es zu diesem Beschluss kam. „Wir haben große Zweifel daran, ob mitten in der Krise eine teure Stadtmarketing-Kampagne wirklich das aller Dringlichste ist“, erklärte unser Fraktionsvorsitzender Horst Hohmeier in der Debatte auf der Ratssitzung. „Insgesamt ist der Zehn-Punkte Plan einseitig an den Interessen der Arbeitgeber ausgerichtet und damit sozial unausgewogen.“ Hinzu komme die Art und Weise, wie der Beschluss zustande kam: „Die Werbeagentur Oktober hat von Bochum Marketing den Auftrag bekommen, die teure Werbekampagne zu entwickeln, ohne dass es dafür überhaupt einen Beschluss gab. Dann gab es Wochen später, nachdem bereits mit dem Geldausgeben begonnen wurde, nachgelagert eine ‚Dringlichkeitsentscheidung‘ durch zwei Unterschriften des Oberbürgermeisters und Herrn Haardt. Dieses Vorgehen der Oberbürgermeister-Kandidaten der beiden großen Parteien halten wir aus mehreren Gründen für fragwürdig. Erstens sieht die Gemeindeordnung vor, dass Dringlichkeitsentscheidungen vom Hauptausschuss getroffen werden sollen, wenn der Rat nicht tagen kann. Nur, wenn die Einberufung auch dieses Ausschusses nicht möglich ist, kann der Oberbürgermeister zusammen mit einem weiteren Ratsmitglied dringliche Entscheidungen ohne Beteiligung der demokratischen Gremien treffen.“ Im aktuellen Fall treffe jedoch beides nicht zu, da der Rat und der Hauptausschuss trotz Corona-Krise getagt haben, und letzterer auch zusätzlich innerhalb von drei Tagen hätte einberufen werden können. Um klären zu lassen, ob Oberbürgermeister Eiskirch und der CDU-Fraktionsvorsitzende Christian Haardt mit den Unterschriften ihre Kompetenzen überschritten haben, haben wir eine Kommunalaufsichtsbeschwerde eingereicht. „Unabhängig davon werden wir als Linksfraktion allerdings alleine auch schon aus den genannten inhaltlichen Gründen gegen die Genehmigung der Dringlichkeitsentscheidung stimmen“, sagte Horst Hohmeier. Die Rede im Wortlaut.

2. BochumFonds: Bürgerschaftliche Projekte unter Marketing-Vorbehalt?

Eigentlich ist es ein richtig gutes Vorhaben, das wir von Anfang an unterstützt haben: Die Stadt Bochum soll einen Euro pro Einwohner*in zur Verfügung stellen, um damit selbstorganisierte bürgerschaftliche Projekte zu fördern. Gefördert werden sollen damit Pläne von Vereinen, Initiativen, Stadtteilgemeinschaften und so weiter. Auf der Ratssitzung stand jetzt aber die Abstimmung darüber an, wie die rund 360.000 Euro vergeben werden sollen. Dazu hat die Verwaltung vorgeschlagen, die Bochum Marketing GmbH mit der Umsetzung zu beauftragen und sie auch über Projekte entscheiden zu lassen. Das hat unser Ratsmitglied Ralf-D. Lange kritisiert und unseren Änderungsantrag begründet: „Bochum Marketing ist eine GmbH, an der sowohl die Stadt Bochum als auch gewerblich tätige Unternehmen Anteile halten. Ihre primäre Aufgabe ist es, ‚das Image der Stadt positiv zu beeinflussen‘. Die Entscheidung darüber, welche bürgerschaftlichen Projekte gefördert werden, sollte dagegen unbeeinflusst von den wirtschaftlichen Interessen und auch losgelöst von Marketing-Gesichtspunkten getroffen werden: Gefördert werden sollten nicht die Projekte, die am besten zur Werbung für den Standort taugen, sondern jene, die aus sozialen und demokratiebezogenen Gründen am wichtigsten sind.“ Deswegen haben wir beantragt, dass stattdessen das städtische Büro für Bürgerbeteiligung den Fonds verwalten soll. Außerdem wollten wir, dass für eine Übergangszeit die Bezirksvertretungen über kleinere Projekte entscheiden, und ein gemeinsames Gremium aus Bezirksvertretungs- und Ratsvertreter*innen über alle größeren Vorhaben. Ralf-D. Lange betonte allerdings, dass wir grundsätzlich die Forderung von Bochumer Initiativen unterstützen, dass die Stadt einen Beteiligungsbeirat gründen soll, der Formate zur Bürger*innenbeteiligung entwickelt und deren Umsetzung begleitet. „Nach Gründung des Beirats kann er mit der Entwicklung des Konzepts für ein Entscheidungsgremium beauftragt werden, in dem neben Vetreter*innen aus den Bezirksvertretungen und des Rates auch weitere Vertreter*innen der Bochumer Zivilgesellschaft vertreten sind“, so Ralf-D. Lange weiter. Die Rede im Wortlaut. Geholfen hat es alles nichts: Die anderen Parteien haben in einer übergroßen Koalition die Unterordnung der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements unter das Stadtmarketing beschlossen.

3. Koalition setzt Verkleinerung des Integrationsgremiums um

Zusammen mit der Kommunalwahl am 13. September wird auch die Vertretung der Bochumer Migrantinnen und Migranten gewählt. Bisher hieß sie Integrationsrat, aber der kommenden Wahlperiode soll sie Integrationsausschuss genannt werden. Gegen diese Umbenennung haben wir nichts, sehr wohl aber gegen ein anderes Vorhaben von SPD und Grünen: Die Rathaus-Koalition hat nämlich beschlossen, das Gremium zusammen mit der Umbenennung von 19 auf 15 Mitglieder zu verkleinern. Bereits im März hatten wir einen Änderungsantrag eingebracht, um dafür zu sorgen, dass das Gremium nicht zusammengekürzt wird. Ohne Erfolg, denn SPD und Grüne hielten an dem Kürzungsplan fest. Auf dieser Ratssitzung änderten die beiden Partein nun die Hauptsatzung entsprechend. In der Debatte vor der Abstimmung kritisierte unsere Fraktionsvorsitzende Gültaze Aksevi das Vorhaben erneut scharf: „Ein kleineres Gremium mit weniger direkt gewählten Mitgliedern schwächt die Stellung der von Diskriminierung Betroffenen in der Bochumer Politik. Die Verkleinerung erschwert außerdem die Repräsentation der unterschiedlichen Gruppen unserer vielfältigen Stadt. Wir bedauern sehr, dass Sie an dieser Verkleinerung festhalten – obwohl Sie ganz genau wissen, dass Sie damit die faktische Prozenthürde bei der Direktwahl des Integrationsausschusses auf etwa zwölf Prozent erhöhen. Eine Zwölf-Prozent-Hürde für die einzige Wahl, bei der Menschen ohne EU-Pass in Bochum mitwählen dürfen – während das Verfassungsgericht beim Rest der Kommunalwahl selbst eine 2,5-Prozent-Hürde für verfassungswidrig erklärt hat. Das ist nun wirklich das völlig falsche Signal, und das passt überhaupt nicht zu den vielen bunten Worten in Ihren Wahlprogrammen!“ Die Rede im Wortlaut.

4. Wohnungskrise I: Erneut VBW-Millionenrendite statt günstiger Miete

Sie haben es schon wieder getan: Der Rat hat gegen unsere Stimmen beschlossen, dass die VBW drei Millionen Euro an ihre an ihre Anteilseigner ausschütten soll – allen voran an die Stadt Bochum bzw. ihre Tochtergesellschaften. In der Debatte wies unser Ratsmitglied Benny Krutschinna auf die unsozialen Folgen hin: „Wenn Sie endlich damit aufhören würden, von der VBW diese Millionen-Ausschüttungen zu verlangen, könnte alleine dadurch die Miete jeder freifinanzierten VBW-Wohnung im Durchschnitt 400 Euro im Jahr niedriger ausfallen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie diese Millionen-Ausschüttungen verlangen, ist nicht nur schlecht für die Mieterinnen und Mieter bei der VBW. Sie treiben damit auch das Mietpreisniveau in unserer Stadt insgesamt unnötig in die Höhe.“ Er erinnerte an das Ergebnis einer Anfrage unserer Fraktion, durch das deutlich geworden ist, dass die VBW Jahr für Jahr tausende von Mieten immer wieder an den Rand des gerade eben noch so Legalen erhöht. „Außerdem bietet die VBW neu zu vermietende Wohnungen zu Preisen an, die im Schnitt fast einen Euro über dem Mietspiegel liegen“, kritisierte Benny Krutschinna weiter. „Dadurch treibt sie den gesamten Mietspiegel in Bochum hoch. Wir als Linksfraktion sind der Ansicht – zusammen mit dem Mieterverein, dem Netzwerk Stadt für Alle und weiteren wohnungspolitisch Aktiven –, dass die VBW nicht dafür da sein sollte, um Gewinn-Ausschüttungen auf Kosten der Mieterinnen und Mieter zu erwirtschaften. Sie sollte als Instrument zur Stabilisierung des Mietpreisniveaus eingesetzt werden, nicht als Melkkuh für den Bochumer Haushalt.“ Die Rede von Benny Krutschinna im Wortlaut.

5. Wohnungskrise II: Stadt scheitert krachend beim geförderten Wohnungsbau

Zur Sitzung des Sozialausschusses hat die Stadt neue Zahlen zum öffentlich geförderten Wohnungsbau veröffentlicht – mit einem Vierteljahr Verspätung. Demnach ist die Stadt Bochum erneut an ihren eigenen Zielen krachend gescheitert: Gerade einmal 60 Förderanträge für den Neubau von mietpreisgebundenen Wohnungen wurden im Jahr 2019 in Bochum bewilligt. Im „Handlungskonzept Wohnen“ hat sich die Stadt dagegen das Ziel von 200 Wohneinheiten jährlich gesetzt. Dabei ist schon dieses Ziel deutlich zu niedrig, weil es nicht ausreicht, die Schrumpfung des sozialen Wohnungsbestands rückgängig zu machen. Dass die SPD-Grünen-Koalition ihr viel zu niedrig angesetztes Ziel allerdings jetzt dermaßen deutlich verpasst, kommt einer Bankrott-Erklärung gleich. Die Verwaltung muss im Vergleich zum Vorjahr sogar nochmal eine deutliche Verschlechterung melden: Im Jahr zuvor konnte sie zumindest noch 92 der angestrebten 200 Bewilligungen aussprechen. Für Bochum sind diese Zahlen eine wohnungspolitischen Katastrophe. Schließlich fallen bis 2030 in unserer Stadt nochmal 3.000 weitere Wohnungen aus der Sozialbindung, in den vergangenen zwölf Jahren hat sich die Zahl bereits halbiert. Wie die Stadt mitteilt, gab es zu Beginn dieses Jahres in Bochum nur noch 12.713 Sozialwohnungen – im Jahr 2003 waren es noch fast 30.000. Angesichts dieses Offenbarungseids ist für uns klar: Wenn Bochum nicht endlich wie von uns gefordert deutlich stärker auf kommunalen und gemeinwohlorientierten Wohnungsbau setzt, ist die Krise beim bezahlbaren Wohnraum nicht in den Griff zu bekommen. Die Präsentation der Verwaltung.

6. Wohnungskrise III: 447 Geflüchtete unnötig in Sammelunterkünften

Die Verwaltung hat auf unsere Anfrage zu Hilfen bei der Wohnungssuche für Geflüchtete geantwortet. Es geht darum, dass die Stadt vor zwei Jahren die Verträge mit den Trägern der freien Wohlfahrtspflege für das „Übergangsmanagement“ auslaufen lies, das in diesem Bereich gearbeitet hat. Die Streichung der sozialarbeiterischen Stellen rechtfertigte die Stadt damit, dass sich die Betroffenen ja an die Flüchtlingsbüros in den Stadtteilen wenden könnten. Initiativen der Flüchtlingsarbeit bezweifelten, dass die städtische Stellenstreichung durch die Flüchtlingsbüros kompensiert werden könne. Mit unserer Anfrage wollten wir nun klären, ob sie Recht hatten. Das ist nur teilweise gelungen: Die Stadt teilt mit, dass sie nicht erfasst, wie viele Menschen von den Büros bei der Wohnungssuche unterstützt worden sind. Wir wissen also nicht, ob es überhaupt erfolgreiche Wohnungsvermittlungen durch die Flüchtlingsbüros gab. Ein paar konkrete Zahlen nennt die Verwaltung dann aber doch: „Zur Zeit sind durch die Stadt Bochum 1939 Menschen untergebracht (Stand 31.03.2020); davon 996 in Einrichtungen und 943 in städtisch angemieteten Wohnungen. Von den 996 Menschen in den Einrichtungen könnten 447 aufgrund ihres Status eine private Wohnung anmieten; hier besteht allerdings besonderer Bedarf an Single-Wohnungen oder Wohnungen ab 100qm², was durch die derzeitige Lage des Wohnungsmarktes erschwert wird.“ Antwort der Verwaltung im Wortlaut. Diese Zahlen bestärken uns darin, weiter für die Wiedereinführung eines konkreten Hilfsangebots bei der Wohnungssuche einzutreten. Außerdem ist dringend nötig, dass die Stadt Bochum mehr bezahlbaren Wohnraum schafft. Dass die Rathaus-Koalition zum Beispiel nach dem Scheitern des Luxus-Studierendenwohnheims am Hauptbahnhof an den Plänen zur Privatisierung des Grundstücks festhält, statt dort wie von uns gefordert dringend benötigten gemeinwohlorientierten und mietpreisgebundenen Wohnungsbau für Ein- und Zweipersonenhaushalte zu ermöglichen, halten wir für eine vertane Chance.

7. Corona & Notunterkünfte: Stadt muss handeln

Zusammen mit vielen Bochumer Vereinen, Initiativen und Organisationen unterstützen wir einen offenen Brief an Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und Sozialdezernentin Britta Anger. Darin drücken wir unsere große Sorge um die Situation in den Bochumer Not- und Sammelunterkünften für Wohnungslose und Geflüchtete aus. Wir fordern von der Stadt konkrete Maßnahmen, um die untergebrachten Menschen besser vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen. „Aus unserer eigenen Arbeit kennen wir die schwierigen und beengten Lebensverhältnisse in den Bochumer Unterkünften genau“, schreiben die 14 Vereine, Netzwerke und Initiativen. Unterzeichnet ist der Brief außerdem vom Initiativkreis Flüchtlingsarbeit, in dem sich mehr als 40 Bochumer Organisationen zusammengeschlossen haben. „Unser Eindruck ist, dass bisher nicht genug getan wird, um die untergebrachten Menschen angemessen vor Ansteckung zu schützen und eine Verbreitung des Coronavirus in den Unterkünften zu verhindern.“ Gemeinsam fordern wir acht Maßnahmen, um die die Unterbringungssituation zeitnah und substanziell zu verbessern. Eine direkte Stellungnahme des Oberbürgermeisters und der Sozialdezernentin auf die sehr konkreten Forderungen hat uns bisher noch nicht erreicht. Bereits in unserem Antrag für ein Maßnahmenpaket zur solidarischen Bewältigung der Corona-Krise haben wir allerdings Kernforderungen aus dem offenen Brief beantragt: Die Stadt Bochum soll alle Möglichkeiten nutzen, um die Wohnsituation in den Unterkünften zu entzerren, indem sie ihre Bemühungen verstärkt, den Betroffenen einen Umzug in Wohnungen zu ermöglichen. Wo diese Möglichkeit nicht besteht, soll sie eine Unterbringung in Ferienwohnungen und Hotels mit privaten Sanitäreinrichtungen anstreben. Außerdem fordern wir, alle kommunalen Restriktionen aussetzen, die es Menschen in Sammelunterkünften erschwert, in selbst angemietete Wohnungen zu ziehen. Leider haben die CDU, die SPD und die Grünen bisher gegen diese sehr dringend notwendigen Maßnahmen gestimmt. Mehr Infos zu den konkreten Forderungen des offenen Briefs.

8. Bochum verschleppt Antirassimus-Bericht: Keine Personalstunden eingeplant

Die von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch geführte Verwaltung weiß genau, dass sie verpflichtet ist, alle zwei Jahre einen Bericht über Fortschritte in der städtischen Antirassismus-Arbeit zu erstellen – getan hat sie es trotzdem nicht. Das ist das Ergebnis einer Anfrage unserer Fraktion. Ganze vier Jahre ist es her, dass der Bochumer Rat auf Initiative der LINKEN beschlossen hat, der Europäischen Städtekoalition gegen Rassismus (ECCAR) beizutreten. Mit der Mitgliedschaft hat die Stadt Bochum zugesagt, einen Zehn-Punkte-Aktionsplanzu erfüllen, Vorschläge für ergänzende Maßnahmen gegen Diskriminierung zu entwickeln, und darüber alle zwei Jahre einen Bericht zu erstellen. Die Berichte sollen dann durch das wissenschaftliche Sekretariat der Städtekoalition geprüft und bewertet werden. Wie die Verwaltung auf unsere Anfrage bestätigt, kam Bochum seiner Verpflichtung bisher nicht nach. Stattdessen habe „ein Erfahrungsaustausch mit Köln und Düsseldorf statt[gefunden], die ihrerseits kürzlich einen Bericht eingereicht haben bzw. aktuell daran arbeiten“. Man warte auf „Richtlinien“ zur Erstellung, und plane auch nicht, den bereits mehr als ein Jahr überfälligen Bericht in diesem Jahr noch fertig zu stellen. Weiter wird deutlich, welchen Stellenwert die Antirassismus-Arbeit für die Eiskirch-Administration hat. So heißt es in der Antwort: „Da für die Betreuung der ECCAR-Mitgliedschaft kein eigenes Kontingent an Personalstunden zur Verfügung steht und der Bericht zusätzlich zum regulären Arbeitsaufkommen zu erstellen ist, ist damit zu rechnen, dass dieses umfangreiche Projekt mehrere Monate in Anspruch nehmen wird.“ Dem Bündnis zwar beitreten, aber den zuständigen Mitarbeiter*innen gar keine Arbeitszeit einräumen, um den Verpflichtungen überhaupt nachzukommen, das finden wir ziemlich daneben. Den Antirassismus-Bericht sollen sie dann wohl irgendwie nebenbei und zusätzlich erstellen. Als Linksfraktion fordern wir Oberbürgermeister Thomas Eiskirch auf, diesen organisatorischen Misstand endlich zu beheben und die Rahmenbedingungen für einen angemessenen Umgang mit dem Thema zu schaffen. Die Antwort der Verwaltung im Wortlaut.

9. Wiedereröffnung der Bochumer Schulen: Verwaltung antwortet

Zur Sitzung des Schulausschusses hat die Verwaltung außerdem auf unsere Anfrage zu den Voraussetzungen für die Wiedereröffnung der Bochumer Schulen geantwortet. Mit dem umfassenden Fragenkatalog wollten wir klären, ob die Stadt die notwendigen hygienischen Standards und baulichen Voraussetzungen für einen sicheren Schulbetrieb aktuell überhaupt gewährleisten kann. Darauf antwortet sie, dass die Einhaltung der Verhaltensstandards zur Hygiene nicht in ihrem Verantwortungsbreich liege. Die Stadt sei lediglich dazu verpflichtet, eine tägliche Reinigung der Kontaktflächen zu gewährleisten und alle Handwaschbecken mit Seifenspendern und Papierhandtüchern ausgestattet zu halten. Dafür und für die tägliche Reinigung der sanitären Einrichtungen werde jeweils eine Reinigungskraft pro Schule unterrichtsbegleitend vor Ort sein. Offen zugängliche Handdesinfektionsspender sind nicht vorgesehen. Mund-Nase-Masken werden ebenfalls nicht zur Verfügung gestellt, da dies „bei Einhalten der Abstandsregeln nicht erforderlich“ sei. Wenn Schüler*innen in Bezug auf das Corona-Virus relevante Vorerkrankungen haben, könnten Eltern sie mit einer ärztlichen Bestätigung vom Schulbesuch befreien lassen, so die Verwaltung weiter. Gleiches gelte für Schüler*innen, die im familiären Umfeld Risikogruppen haben. Zur Frage, welche Maßnahmen zur Infektionsvermeidung die Stadt für den Schulbusverkehr ergreift, haben wir keine konkrete Antwort erhalten. Die Verwaltung erklärt lediglich, dass sie mit der Bogestra in Kontakt stehe. Ein zusätzliches Weiterbildungsangebot für die Beschäftigten im Umgang mit Ansteckungsgefahren während der Corona-Pandemie sei „aus zeitlichen und organisatorischen Gründen nicht durchführbar, da die Prioritäten bei der Organisation eines einigermaßen reibungslosen Wiedereinstiegs liegen“. Die Antwort der Verwaltung im Wortlaut.

10. Erfolg: Mehr Geld für Madonna e.V.

Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat unserem Antrag zugestimmt, die finanziellen Zuwendungen für die Beratungsstelle des Madonna e.V. zu erhöhen. Der Verein bietet Informationen und Unterstützung für Frauen in der Sexarbeit an. Er berät sie unter anderem zu gesundheitlichen und sozialen Fragen, und auch Frauen, die aus der Prostitution aussteigen wollen. „In der Corona-Krise steht die Beratungsstelle jetzt sowieso vor ganz neuen Herausforderungen“, sagte unsere Fraktionsvorsitzende Gültaze Aksevi in ihrer Antragsbegründung. „Wir haben jetzt immerhin die Möglichkeit, mit dieser Finanzzusage dem Madonna e.V. zumindest einen Stein aus dem Weg zu räumen.“ Wir freuen uns, dass das nun endlich gelungen ist. Unseren Antrag hatten wir nämlich bereits im Februar gestellt, damals hatte die Ausschussmehrheit noch um Vertagung gebeten. Unser Antrag im Wortlaut.

11. Wattenscheid braucht eine neue Gesamtschule

Benny Krutschinna, Mitglied unserer Fraktion im Schulausschuss, hat die Stadt Bochum aufgefordert, mit der Planung für eine neue Gesamtschule in Wattenscheid jetzt zu beginnen. „Die Anmeldezahlen an den Gesamtschulen zeigen deutlich, dass der Bedarf nicht gedeckt ist“, erklärte er. Dass die SPD Presseberichten zufolge erst aktiv werden will, wenn „sich die aktuellen Anmeldezahlen weiter stabilisieren“, hält er für einen schlechten Witz. „Seit mehr als einem Jahrzehnt werden in Bochum jedes Jahr eine hohe Anzahl von Gesamtschul-Anmeldungen abgewiesen. Wenn es eine Konstante in der Bochumer Schulpolitik gibt, dann ist es der Mangel an Gesamtschulplätzen.“ Zuletzt musste die Stadt mitteilen, dass für das kommende Schuljahr erneut 148 Anmeldungen für die fünften Klassen an den Bochumer Gesamtschulen negativ beschieden wurden. „Wenn Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und die SPD den Eindruck vermitteln wollten, dass sie ihr Wahlversprechen durch die Umstrukturierung der Gemeinschaftsschule Mitte zur Gesamtschule bereits erfüllt hätten, dann müssen wir dem deutlich widersprechen“, so Benny Krutschinna weiter. „Damit endlich keine Kinder mehr bei der Erstanmeldung abgewiesen werden müssen, brauchen wir eine echte Erhöhung der Plätze für gemeinsames Lernen. Insbesondere in Wattenscheid ist eine zweite Gesamtschule dringend notwendig. Vorschläge, zum Beispiel die Lieselotte-Rauner-Schule zur Gesamtschule auszubauen, stehen bereits lange im Raum. Wir sind auch für andere Vorschläge offen, aber klar ist, dass zeitnah etwas passieren muss. Die Hinhalte-Taktik von SPD und Grünen ist nicht mehr länger hinnehmbar.“ Zur Erklärung.

12. Für demokratische Sitzungen auch in der Krise

In einer Erklärung haben die Mitglieder der LINKEN in den Bochumer Bezirksvertretungen große Bedenken an den deutlich verkleinerten Bezirksvertretungs-Sitzungen in der Corona-Krise geäußert. Nach ihrer Meinung sollte die Praxis beendet werden, dass nur Mini-Runden von manchmal vier oder fünf stimmberechtigten Mitgliedern weitreichende Entscheidungen treffen. Gemeinsam haben sie daher die Verwaltung aufgefordert, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass die Bezirksvertretungen wieder unter Einhaltung aller Abstands- und Hygienemaßnahmen in ausreichend großen Räumen in vollständiger Größe tagen können. „Demokratie lebt von der Vielfalt der Meinungen der gewählten Gremienmitglieder“, schreiben unsere Bezirksvertreter*innen. „Das sollte sich auch in den Debatten in den Bezirksvertretungen widerspiegeln. Wenn Gremien nur in Notbesetzung tagen, aber trotzdem zusätzlich zu den in der Krise dringlichen Beschlüssen das reguläre Programm durchgezogen wird, dann leiden darunter die demokratische Kontrolle und konstruktive Auseinandersetzung über wichtige Sachfragen.“ Die nicht nur von uns geäußerte Kritik fiel auf fruchtbaren Boden. Als erste Bezirksvertretung verlegte die Bezirksvertretung Ost ihre Sitzung in die große Mensa der Willy-Brandt-Gesamtschule, um endlich wieder allen gewählten Bezirksvertreter*innen eine Teilnahme zu ermöglichen. In Wattenscheid wurde anschließend jedoch noch eine Sitzung mit nur fünf stimmberechtigen Mitgliedern durchgezogen. Die Erklärung der LINKEN Bezirksvertreter*innen im Wortlaut.